Westliche Wissenschafterin aus dem Wuhan-Institut packt aus

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Danielle Anderson erzählt, warum sie die Entstehung von Sars-CoV-2 in einem Labor für unmöglich hält.

Ex-US-Präsident Donald Trump sprach monatelang vom "China-Virus" und warf China mangelnde Transparenz rund um die Aufarbeitung des Ausbruchs von Sars-Cov-2 vor. Ein Jahr lang hatte sich China geweigert, Experten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ins Land zu lassen.

Sogar der Generaldirektor der WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus, sagte, die Labor-Theorie sei nicht umfassend genug untersucht worden. US-Präsident Joe Biden rief US-Geheimdienste im vergangenen Monat dazu auf, ihre Bemühungen zu verdoppeln, um der Entstehung von Covid-19 nachzugehen. Vorausgegangen war ein Bericht, wonach drei Wissenschafter aus dem Institut in Wuhan angeblich mit Grippe-ähnlichen Symptomen ins Krankenhaus eingeliefert worden waren - lange bevor der erste Fall in China bekannt wurde.

Der prominente deutsche Virologe Christian Drosten erklärte erst vor Kurzem ausführlich in einer seiner NDR-Podcast-Folgen, warum er die Entwicklung in einem Labor für unwahrscheinlich hält und keinen Grund hat, an der Integrität der dort arbeitenden Wissenschaftern zu zweifeln.

Expertin für Fledermaus-Viren

Jetzt sorgt ein Interview mit Danielle Anderson für Aufsehen: Sie arbeitete im weltbekannten Wuhan-Institut, als Sars-Cov-2 in China ausbrach. Als Expertin für Fledermaus-Viren ist Anderson die einzige ausländische Wissenschafterin, die im BSL-4-Labor des Wuhan Institute of Virology geforscht hat, wie Bloomberg berichtet.

Ihre letzte Mitarbeit endete im November 2019, als Kollegin von "Batwoman" Shi Zhengli hatte sie Einblicke in die Abteilung für neu auftretende Infektionskrankheiten.

Laut Anderson sei niemand, den sie am Institut in Wuhan kannte, gegen Ende 2019 krank gewesen. Außerdem gibt es ein Verfahren zur Meldung von Symptomen, die mit den Erregern korrespondieren, mit denen in Hochrisiko-Eindämmungslaboren gearbeitet wird.

"Wenn die Leute krank waren, nehme ich an, dass ich auch krank gewesen wäre - und das war ich nicht", sagte sie. "Ich wurde in Singapur auf das Coronavirus getestet, bevor ich geimpft wurde, und ich hatte keine Antikörper."

"Es gab keinen Tratsch. Wissenschaftler sind geschwätzig und aufgeregt. Aus meiner Sicht passierte zu diesem Zeitpunkt nichts Merkwürdiges, das einen auf die Idee bringen würde, dass hier etwas vor sich geht.

Halbwahrheiten und verzerrte Informationen würden eine genaue Darstellung der Aktivitäten des Labors verdunkeln, die mehr Routine sind, als sie in Medien dargestellt: "Es ist nicht so, dass es langweilig war, aber es war ein normales Labor, das auf die gleiche Weise wie jedes andere Hochsicherheitslabor arbeitete", sagt Anderson. "Was die Leute sagen, ist einfach nicht so, wie es ist."

Anderson, die derzeit am Peter Doherty Institute for Infection and Immunity in Melbourne arbeitet, begann die Zusammenarbeit mit den Wuhan-Forschern im Jahr 2016, als sie wissenschaftliche Leiterin des Biosicherheitslabors an der Duke-NUS Medical School in Singapur war.

Ihre Forschung konzentrierte sich darauf, warum tödliche Viren wie Ebola und Nipah in Fledermäusen keine Krankheiten verursachen. Das chinesische Institut stellte Mittel zur Förderung der internationalen Zusammenarbeit bereit.

Wuhan Institute of Virology (WIV)

Einzige Ausländerin

Anderson gehörte zu einer Gruppe von Wissenschaftern, die sich jeden Morgen vor der Chinesischen Akademie der Wissenschaften versammelte, um einen Bus zu nehmen, der sie zum etwa 32 Kilometern entfernten Institut brachte.

Als einzige Ausländerin stach die Australierin heraus, die anderen Forscher kümmerten sich um sie: "Wir gingen zusammen essen, wir sahen uns auch außerhalb des Labors", erzählt sie im Bloomberg-Interview.

Das Wuhan Institut für Virologie beheimatet die größte Virusbank Asiens

Das Wuhan-Institut für Virologie

Das Betongebäude im Bunkerstil hat die höchste Biosicherheitsklasse und strenge Anforderungen, um Krankheitserreger einzudämmen: So werden zum Beispiel Luft, Wasser und Abfall gefiltert und sterilisiert.

Alle Wissenschafter sind in Bezug auf Eindämmungsprozedere geschult und im Tragen von Luftdruckanzügen unterwiesen. "Es ist sehr, sehr umfangreich", sagte Anderson.

Das Betreten und Verlassen der Anlage war ein sorgfältig choreographiertes Unterfangen, sagte sie. Das Verlassen der Anlage war besonders kompliziert, da man sowohl eine chemische Dusche als auch eine persönliche Dusche nehmen musste, deren Zeitpunkte genau geplant waren.

Als Kontrolle zum Einhalten der Desinfektionskette war Anderson über ein Headset mit Kollegen in der Kommandozentrale des Labors verbunden, um eine ständige Sicherheitsüberwachung zu ermöglichen.

Virusforscherin Shi Zhengli glaubt nicht an einen Laborunfall

Derzeit glaube sie an einen natürlichen Ursprung: Wenn man ihr Beweise vorlegen würde, dass ein Labor-Unfall bei Covid-19 passiert sei, könnte Anderson "nachvollziehen, wie die Dinge vielleicht passieren konnten". Weiters: "Ich bin nicht so naiv zu sagen, dass ich das absolut abschreibe."

Aber sie ist überzeugt, dass kein Virus hergestellt wurde, um Menschen zu infizieren und absichtlich freigesetzt wurde. Trotzdem ist sie der Meinung, dass eine Untersuchung notwendig ist, um den Ursprung des Virus ein für alle Mal zu klären.

Warum erst jetzt

Warum sie erst jetzt spricht? Die Gewaltandrohungen, die viele Virologen und andere Wissenschafter in den vergangenen 18 Monaten erlebt haben, haben sie zögern lassen, sich zu äußern, weil sie befürchtete, dass ihre Worte falsch interpretiert werden.

Dass Anderson selbst Teil der WHO-Experten-Mission nach Wuhan war, kritisierten einige Wissenschafter. Zudem wurde sie selbst Ziel von Attacken und Drohungen, nachdem bekannt wurde, dass sie Anfang 2020 als sogenannter "fact checker" von Facebook Kommentare im sozialen Netzwerk zur Labor-These als Fake-News kennzeichnete.

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