Warum die Covid-19-Labortheorie wieder mehr Aufmerksamkeit erhält
Nicht einmal Wissenschaftler konnten bisher herausfinden, wo genau das Virus seinen Ursprung hatte, das im Jahr 1918 Millionen von Menschen tötete. Beim SARS-Virus von 2003 dauerte die Aufarbeitung 14 Jahre. Wissenschaftler haben es im Jahr 2017 auf Fledermäuse zurückführen können. (Experten vom Institut für Virologie in Wuhan übrigens.)
Beim aktuellen Coronavirus, der die weltweite Covid-19-Pandemie ausgelöst hat, sind noch viele Fragen offen. Das Virus war Ende 2019 in der zentralchinesischen Stadt Wuhan erstmals nachgewiesen worden. Seit langem kursieren unbelegte Mutmaßungen, es könne aus einem dortigen Labor stammen und durch einen Unfall freigesetzt worden seien.
Noch konnte der Ursprung des Virus nicht zweifelsfrei erklärt werden. Das ist ein Grund, warum sich die Labortheorie in der öffentlichen Meinung weiter am Leben hält. Sie konnte bislang weder bestätigt, noch zu 100 Prozent ausgeräumt werden. Neue Beweise gibt es – zumindest öffentlich – nicht. Bis auf die Meldung, dass offenbar mehrere Mitarbeiter des Labors bereits 2019 coronaartige Symptome gehabt haben sollen.
Möglicherweise wird man nie – oder erst in vielen Jahren – wissen, woher SARS-CoV-2 kommt. Doch vielleicht könnten auch einige offene Fragen in drei Monaten beantwortet werden. Denn US-Präsident Joe Biden hat am Mittwoch die Geheimdienste beauftragt, in 90 Tagen "einer endgültigen Schlussforlgerung näher zu kommen". Zudem forderte Biden mehr internationalen Druck auf China.
Ohne die chinesische Zusammenarbeit allerdings könne das kaum funktionieren, schoss der Präsident nach. Mehrere Gesundheitsexperten in den USA hatten die von der WHO unterstützte Untersuchung in Wuhan kritisiert, die im März einen Zusammenhang zwischen dem Virus-Ausbruch und dem Labor in der chinesischen Millionenstadt verworfen hat.
Es heißt, dass die US-Geheimdienste "nicht glauben, dass es genügend Informationen gibt", um die Wahrscheinlichkeit verschiedener Szenarien zur Erklärung des Ursprungs des Virus vollständig zu verstehen. Schon im März hatte Biden einen Bericht in Auftrag gegeben, dessen Ergebisse allerdings am Ende nicht zufriedenstellend waren.
Für China "Verschwörungstheorie"
China sprach nach Bidens Ankündigung von einer "Verschwörungstheorie". "Die Verleumdungskampagne und die Schuldzuweisungen kehren zurück", sagte ein Sprecher der chinesischen Botschaft in Washington. "Die Suche nach dem Ursprung - eine Sache der Wissenschaft - zu politisieren, wird es nicht nur schwerer machen, die Herkunft des Virus zu finden, sondern auch dem "politischen Virus" freien Lauf lassen und die internationalen Kooperation in der Pandemie ernsthaft behindern."
Außenamtssprecher Zhao Lijian warf den USA am Donnerstag vor, die Suche zu politisieren und China die Schuld an der Pandemie geben zu wollen. Er wehrte sich gegen den Verdacht, dass das Virus aus einem chinesischen Labor entwichen sein könnte.
China unterstütze eine umfassende Studie aller frühen Covid-19-Fälle weltweit und eine Untersuchung "einiger geheimer Stützpunkte und biologischer Labors überall in der Welt", sagte der Botschaftssprecher. Er spielte damit möglicherweise auf unbewiesene Hypothesen aus Peking an, wonach das Virus aus einem Labor des US-Militärs in Fort Detrick oder anderswo entsprungen und von Teilnehmern der Militärweltspiele im Oktober in Wuhan eingeschleppt worden sein könnte.
China hatte zuvor schon einen Bericht des Wall Street Journal dementiert, wonach drei Wissenschafter des Instituts für Virologie in Wuhan im November 2019 so schwer erkrankten, dass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten. In dem Institut wurde an Coronaviren geforscht.
Neue politische Debatte
Die Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen dem Ausbruch haben sich bis auf die 2019 erkrankten Mitarbeiter seit Monaten nicht wesentlich geändert. Was sich jedoch deutlich geändert hat, ist die politische Debatte, schreibt die Washington Post. Während Ex-Präsident Donald Trump gerne verbale Pfeile in Richtung China abgeschossen hat, gibt sich Biden ruhiger. Zwar versucht die neue Regierung den Handelskonflikt mit Peking zu entspannen, die kritische Haltung gegenüber der chinesischen Regierung bleibt allerdings.
Bei der Jahrestagung der WHO in der vergangenen Woche wurde dazu aufgerufen, die Untersuchung in Wuhan wiederzubeleben und zu erweitern. Die Die Vereinigten Staaten würden weiterhin mit "gleichgesinnten Partnern auf der ganzen Welt zusammenarbeiten, um China zu drängen, an einer vollständigen, transparenten und evidenzbasierten internationalen Untersuchung teilzunehmen", sagte Biden.
Auch international gibt es große Bemühungen herauszufinden, wie die Pandemie ihren Anfang nahm. Die Weltgesundheitsorganisation WHO vermutet, dass das Virus außer in Fledermäusen auch in Schuppentieren seinen Ursprung haben könnte. Die Theorie, dass es aus einem Labor entwichen sein könnte, sei hingegen "extrem unwahrscheinlich".
In den USA und in anderen Ländern warnen jedenfalls Experten davor, die Suche nach dem Ursprung zu sehr zu politisieren. Vor allem auch, weil es wohl kaum zu einem hundertprozentigen Ergebnis führen werde. Die politischen Folgen seien massiv.
Was man weiß
Die Labortheorie konnte bislang weder zweifelsfrei bestätigt, noch widerlegt werden, schreibt die Washington Post. Sie besteht bereits seit Jänner 2020, als sich das Virus noch vor allem auf China beschränkte. Die meisten Pandemien sind durch Infektion von einem Tier auf einen Menschen entstanden. Viele Virologen argumentieren immer noch, dass dies der wahrscheinlichste Weg des neuartigen Coronavirus war. Rund 75 Prozent der neuartigen Viren stammen demnach aus der Tierwelt, sagt Norbert Nowotny von der VetMed Wien gegenüber dem KURIER-Podcast Fake Busters. Wildtiermarkte stellen damit eine wahrscheinliche Quelle dar. Bei Fledermäusen in China ist ein Vorgänger des SARS-Cov-2 bestätigt worden, möglicherweise hatte es noch einen Zwischenwirten gegeben.
Die Diskussion über die Labortheorie wurde spätestens durch den Bericht des Wall Street Journal über die erkrankten Labormitarbeiter von 2019 wiederbelebt – prominente Virologen und Virologinnen fordern jetzt eine umfassendere Untersuchung: Sie veröffentlichten kürzlich einen offenen Brief in der Zeitschrift Science, in dem sie argumentierten, dass "Theorien der unbeabsichtigten Freisetzung" weiterhin "tragfähig" seien.
Unter ihnen war Ralph Baric, ein Virologe, der mit Shi Zhengli, einem renommierten Experten für Fledermaus-Coronaviren in Wuhan, zusammengearbeitet hat, der für viele Laborleck-Hypothesen von zentraler Bedeutung ist.
Bei der von der WHO unterstützten Untersuchung forschte ein Team von 17 internationalen Experten mehrere Wochen lang in Wuhan. Fazit: Ein "sehr wahrscheinliches" Szenario sei, dass ein unbekanntes Tier das Virus auf den Menschen übertragen haben könnte. Das WHO-Team wies die Idee eines Laborlecks als „äußerst unwahrscheinlich“ ab.
Der Bericht konzentriert sich vielmehr auf die Theorie, wonach das Virus in Tiefkühlkost importiert worden sei. Die abweisende Haltung gegenüber der Laborlecktheorie führte zu der Kritik, dass das WHO-Team chinesischen Experten zu nahe stand. Außerdem hatte das Team offenbar nur drei Stunden Zeit, um das Wuhan-Virologie-Institut zu besuchen.
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