Wenn Schmerzmittel den Kopfschmerz verschlimmern
„In der Werbung gibt es nur eine Botschaft: Bei Kopfschmerz rezeptfreie Schmerzmittel zur Akutbehandlung.“ Für vorbeugende Maßnahmen wie etwa Entspannungstechniken gibt es keine Werbung – das zahlt ja niemand“, sagt Stefanie Förderreuther. Sie ist Präsidentin der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft. Aber zu viele Schmerzmittel können bei Menschen mit Migräne und Spannungskopfschmerz die Beschwerden sogar verstärken und auslösen – was viele nicht wissen. Ihre Schmerztage werden häufiger.
Die genauen Mechanismen, wieso dieser Schmerz entsteht, sind nicht bekannt. „Die kritische Grenze liegt bei zwei Tagen mit Schmerzmittelkonsum in der Woche bzw. mehr als neun Tagen im Monat“, sagt Christian Wöber, Leiter der Kopfschmerzambulanz am AKH Wien / MedUni Wien. „Bei mehr entsteht ein Teufelskreis: Die Kopfschmerzen werden häufiger, man nimmt mehr Medikamente, was die Schmerzen wiederum verstärkt.“
Vorbeugung unbekannt
„Viele Patienten sind ganz erstaunt, wenn man sie darüber aufklärt“, betont . „Und sie wissen auch nicht, welche Möglichkeiten der Vorbeugung es gibt – von Ausdauersport bis hin zu Stressmanagement und Entspannungsmethoden.“
Die deutsche Kopfschmerzgesellschaft und die Deutsche Gesellschaft für Neurologie haben jetzt neue Leitlinien für die Therapie solcher durch Schmerzmittel verursachte Kopfschmerzen herausgebracht. „An erster Stelle sollte stets die Beratung der Patienten liegen – alleine das führt oft schon zu einem Rückgang der Medikamenteneinnahme“, erklärt Förderreuther. An zweiter Stelle steht für sie eine vorbeugende Behandlung mit anderen Präparaten als Schmerzmitteln – etwa einem Präparat, das auch in der Epilepsiebehandlung eingesetzt wird, einem speziellen Antidepressivum oder Injektionen mit dem Botulinumtoxin, bekannt als Botox. Diese Mittel reduzieren nicht nur die Kopfschmerztage, sondern können auch die Entzugssymptome lindern, die durch eine Reduktion der Schmerzmittel auftreten. 70 Prozent der Patienten würden darauf ansprechen.
Wer betroffen ist
„Dieser durch Medikamente bedingte Kopfschmerz tritt nur bei Personen auf, die bereits an Migräne oder Spannungskopfschmerz gelitten haben“, sagt Wöber. „Auch dann, wenn sie die Schmerzmittel aus anderen Gründen nehmen.“ Menschen, die keine Kopfschmerzen haben, sind von dieser Nebenwirkung auch bei häufigem Medikamentenkonsum nicht betroffen.
Andere Prioritäten
Auch Wöber sieht als ersten Schritt die Beratung und Aufklärung. Danach folgt für ihn aber bereits eine „radikale Medikamentenpause bei den Schmerzmitteln – was aber häufig mit einer Berufstätigkeit oder Kindern nicht vereinbar ist“. Die Betroffenen müssen dann in Krankenstand gehen oder stationär aufgenommen werden. Letztlich sei das aber effizienter, sagt Wöber: Denn bei der vorbeugenden Behandlung mit anderen Medikamenten dauere es oft viele Wochen, bis sich eine Wirkung einstelle. Die Deutschen sehen den Entzug erst als dritte Option – nicht allen Patienten helfe er.
Oft aber sei schon die Umstellung von schlecht wirksamen Schmerzmitteln auf spezielle Migränemedikamente hilfreich, um die Tage mit Schmerzen zu reduzieren. Wöber: „Die genaue Vorgangsweise hängt immer auch von der individuellen Situation ab. Unbestritten ist, dass wir vielen Patienten sehr gut helfen können.“
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