
Rechtzeitig aufs Klo setzen, will gelernt sein.
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Wenn es Kinder nicht rechtzeitg aufs Klo schaffen
Eine Urotherapeutin gibt Tipps, wie Heranwachsende ab dem sechsten Lebensjahr die Blase kontrolliert entleeren lernen.
Die Sache mit dem Töpfchen braucht Zeit. Es kann bis zu fünf Jahre dauern, dass Kinder ihre Blase konkrolliert entleeren können. Der Reifungsprozess ist komplex. Und mitunter anfällig. So kann es passieren, dass manche Heranwachsenden erst gar nicht trocken werden oder wieder mit dem Einnässen beginnen. Darauf verweist Anita Silye, Urotherapeutin an der Abteilung für Kinderurologie am Ordensklinikum Linz, Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern, im Vorfeld zur „Welt-Kontinenz-Woche“ von 21. bis 25. Juni 2021.
Entleerung ist ein komplexter Prozess
Bei der Blasenentleerung müssen Blase, Rückenmark und Gehirn spielen zusammen. Bei einem Neugeborenen funktioniert die Entleerung durch einen spontanen Reflex. Im Lebensalter von ein bis zwei Jahren beginnt das Kind ein Füllungsgefühl zu entwickeln und die Blasenkapazität nimmt zu. Es entleert aber nach wie vor unwillkürlich. Im 3. bis 4. Lebensjahr kann das Kind im wachen Zustand die Blase willentlich entleeren und die Blasenentleerung ist teilweise auch schon aufschiebbar. Ab dem Alter von fünf Jahren schaffen die Kinder es, tagsüber und nachts trocken zu sein und mit sechs Jahren ist eine bewusste Blasenentleerung möglich. „Der Reifungsprozess der Blasenentleerung darf fünf Jahre in Anspruch nehmen“, sagt Silye: „Bis dahin muss man sich keine Sorgen machen. So wie andere Kinder früher oder später zu sprechen oder gehen beginnen, so brauchen manche Kinder auch mehr Zeit für ihre Kontinenz-Entwicklung. Druck ist der falsche und auch kein erfolgversprechender Weg.“
Wie bei Erwachsenen gibt es auch bei Kindern verschiedene Formen der Inkontinenz sowie Problemen mit Blase und Darm. „Die häufigsten Gründe, weshalb Eltern medizinische Hilfe in Anspruch nehmen, sind Einnässen tagsüber oder nachts, Harnwegsinfekte und sehr häufige Blasenentleerungen“, sagt die Urotherapeutin.
Geringe Blasenkapazität als Ursache
Kinder, die nach dem fünften Lebensjahr Harn verlieren oder nachts einnässen, sollten kinderurologisch untersucht werden. Meist lässt sich die Ursache unkompliziert feststellen. Ein sehr einfaches und aussagekräftiges Hilfsmittel ist ein Blasentagebuch. Silye empfiehlt vor jedem Arztbesuch, dieses Thema betreffend, ein Blasentagebuch über mindestens 48 Stunden zu führen: „Dort wird eingetragen, wann das Kind wieviel und was trinkt sowie wann es wieviel ausscheidet. Aus diesem Protokoll kann der Arzt schon sehr viel ablesen.“ Oft ist die Ursache einer kindlichen Inkontinenz eine zu geringe Blasenkapazität. Die Blase kann also die Menge an Harn noch nicht fassen und „geht über“. Als Faustregel für eine altersgemäße Blasenkapazität gilt: Alter x 30 + 30 – die Blase eines 5-jährigen Kindes fasst somit rund 180 ml.
Für Kinder, die Schwierigkeiten haben, die Blasenfüllung zu spüren, empfiehlt sich ein Wahrnehmungstraining, das in der Blasenschule instruiert wird.
Bakterielle Erkrankungen treffen Mädchen häufiger als Buben
Harnwegsinfekte zählen zu den häufigen bakteriellen Erkrankungen im Kindesalter. Gelangen Bakterien in den Harntrakt, können sie eine Entzündung verursachen. Meist handelt es sich um sogenannte Coli-Bakterien, die im Darm vorkommen. Mädchen erkranken häufiger an Harnwegsinfekten als Burschen, da ihre Harnröhre kürzer ist. „Um einen Harnwegsinfekt beziehungsweise eine Blasenentzündung zu verhindern, sollten Mädchen nach der Blasen- oder Darmentleerung von vorne nach hinten abwischen, um keine Darmkeime in die Harnröhre zu transportieren“, rät Silye. Auch Stuhl in der Unterhose oder wenn die Blase sich nicht vollständig entleert, können Ursache für eine Entzündung sein. Durch richtiges Verhalten können diese Infekte teilweise vermieden werden.
So können Kinder ihre Blase trainieren
Diese Tipps helfen:
- 7-Becher-Regel: Die Tagestrinkmenge sollte auf sieben Becher aufgeteilt werden. Der Großteil an Flüssigkeit sollte vormittags und am frühen Nachmittag zugeführt werden. Damit hat das Kind abends weniger Durst und das Bett bleibt eher trocken.
- Harntreibende Getränke wie Cola oder Eistee vermeiden.
- Wann? Früh spüren, wenn die Blase voll ist und in Ruhe zur Toilette gehen.
- Wie oft? 5 bis 7-mal sollte durchschnittlich die Blase entleert werden.
- Wie? Unter Verwendung eines Fußschemels (damit Ober- und Unterschenkel im rechten Winkel sind) die Blase in einem Mal entleeren.
- Feuchte Unterwäsche sofort wechseln. Der Urin lockt Bakterien an und kann Entzündungen an der Haut oder in der Blase verursachen.
- Kälte vermeiden: Nasse Badesachen nach dem Schwimmen wechseln.
- Verstopfungen vermeiden - für eine gesunde Blase ist es wichtig, dass auch der Darm funktioniert.
Großes Problem
Laut WHO ist Inkontinenz eine der häufigsten Krankheiten. Zwischen 10 und 15 Prozent der Weltbevölkerung leiden darunter, Harn oder Stuhl zu verlieren. In Österreich sind somit mindestens eine Million Menschen betroffen. Je älter man wird, desto eher werden Blase oder Darm schwach. Scham und Hilflosigkeit bestimmen häufig den Alltag von Betroffenen. Nähere Informationen finden Sie hier www.kontinenzgesellschaft.at/wcw.htm
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