Weit verbreitetes Problem: Was bei Blasenschwäche wirklich hilft
Es können nur ein paar Tropfen oder ein ganzer Schwall sein. So oder so ist eine Blasenschwäche für betroffene Menschen oft mehr als nur unangenehm. Hilfsmittel wie Einlagen können zwar den Alltag erleichtern, reichen manchmal aber gar nicht mehr aus. Das schambehaftete Problem kann die Lebensqualität massiv einschränken.
Wer nicht darüber spricht, leidet im Stillen – und verzichtet damit auf Therapiemöglichkeiten. Die Bandbreite ist groß, sie reicht von physikalischen, medikamentösen bis hin zu operativen Therapien. Nicht selten spielen auch andere Faktoren wie Ernährung und Lebensweise eine große Rolle.
Urologin ermutigt
Anne-Catherine Piskernik ist Fachärztin für Urologie in Wien. Sie kennt die Sorgen der Betroffenen: „Die Scham ist groß und die Belastung kann bis hin zur Isolation führen, weil die Angst vor Missgeschicken in der Öffentlichkeit so groß ist.“
Piskernik will sie ermutigen, aktiv zu werden. „Es stehen uns mittlerweile effektive Behandlungsmöglichkeiten für alle Arten der Inkontinenz zur Verfügung. Leichte Formen können wir meist sogar zum Verschwinden bringen, bei schweren Formen kann eine Verbesserung der Symptome erreicht werden.“
Beckenboden trainieren
Ein entscheidender Punkt ist in jedem Fall der Beckenboden, so die Expertin. „Oft können wir bei einer Belastungsinkontinenz bereits durch eine Umstellung des Lebensstils und regelmäßiges Beckenbodentraining Verbesserungen erzielen.“ Am besten findet das Beckenbodentraining mithilfe einer Physiotherapeutin oder eines Physiotherapeuten statt, denn es müssen gezielt die richtigen Muskelgruppen erfühlt und trainiert werden.
Beim Beckenboden handelt es sich um einen Verband aus Muskeln, Bändern und Gewebe, der wie eine Hängematte geformt ist. Er trägt die Last der Organe des kleinen Beckens (Enddarm, Harnblase und Gebärmutter, bei Männern die Prostata). Der Beckenboden hilft, die Organe in ihrer Position zu halten und ist für einen guten Verschluss der Harnröhre und des Darmausgangs zuständig.
Risikofaktoren
Vor allem Geburten können ihn in Mitleidenschaft ziehen. Schließlich müssen die Kinder durch diese Muskelgruppen hindurch. Weitere Risikofaktoren sind schwere körperliche Arbeit, Übergewicht, dauerhafter Husten, die Menopause, Operationen oder eine Strahlentherapie bei einer Krebserkrankung. Bei Männern kann es besonders nach Prostataoperationen zu Beeinträchtigungen kommen.
Als zusätzliche Therapiesäule kann ein Verhaltenstraining helfen, die Blase besser zu kontrollieren. „Damit ist eine Veränderung der Trinkgewohnheiten und der Blasenentleerung gemeint. Auch Entspannungsübungen mittels Biofeedback sind eine weitere gute Option. Bei manchen Menschen bringt auch eine Elektrostimulation nachweisbare Erfolge“, erläutert Anne-Catherine Piskernik.
Menschen mit Blasenschwäche neigen dazu, weniger zu trinken. Sie hoffen, den Harnverlust reduzieren zu können. So logisch dies klingt, ist doch das Gegenteil der Fall: Stark konzentrierter Urin führt zu vermehrtem Harndrang. Er greift die Blasenschleimhaut an. Bakterien können nicht mehr gut ausgeschwemmt werden. Man wird anfälliger für Infektionen, die wiederum die Entstehung von Inkontinenz fördern. Hinzu kommt, dass bei jeder Blasenfüllung deren Muskulatur trainiert wird. Kann sich die Blase nicht mehr ausdehnen, verringert sich das Fassungsvermögen, sodass es schon bei geringer Füllung zu Inkontinenz kommt. Wassermangel ist zudem auch allgemein gesundheitsschädlich. Ausreichendes Trinken ist also wichtig. Hier einige Tipps:
- Die tägliche Menge sollte bei etwa 1,5 bis zwei Liter liegen. Koffeinhaltige Getränke wie Kaffee oder Schwarztee und Alkohol reduzieren, sie wirken in Mengen verstärkt harntreibend.
- Obst und Gemüse enthalten bis zu 80 Prozent Wasser, deshalb möglichst viel davon in den täglichen Speiseplan einplanen.
- Zur Überprüfung des Trinkverhaltens hilft ein Trinkplan.
Wie so ein Plan aussehen kann und noch mehr hilfreiche Informationen und praktische Tipps zum Thema bietet die Medizinische Kontinenzgesellschaft Österreich.
Hilft das alles nichts, gibt es auch noch medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten. „Wobei man in diesem Fall besonders engmaschig kontrollieren und die Nebenwirkungen im Blick haben muss“, betont die Fachärztin.
Noch mehr Methoden
Schlussendlich stehen noch mehrere operative Methoden zur Verfügung: „Bei der Belastungsinkontinenz lassen sich Schlingen einsetzen, damit sich die Harnröhre nicht mehr senkt. Ein geschädigter Schließmuskel kann im schlimmsten Fall durch einen künstlichen ersetzt werden. Und es gibt einen Schrittmacher, der bei Funktionsstörungen der Blase und des Enddarms eingesetzt wird. Bevor wir Urologen und Urologinnen einen Eingriff andenken, versuchen wir aber, alle anderen Möglichkeiten auszuschöpfen.“
Keine reine Frauensache
Eine Million Menschen in Österreich lebt mit einer Harninkontinenz – so lautet der Fachausdruck. Betroffen sind vor allem ältere Menschen, am häufigsten Frauen. Doch Harninkontinenz ist keine reine Frauensache. Auch Männer sind davon betroffen, allerdings sind die Gründe dafür unterschiedlich.
Verschiedene Formen
Die häufigste Form ist die Belastungsinkontinenz. Dabei kommt es bei körperlicher Anstrengung (niesen, heben, lachen) wegen einer beeinträchtigten Verschlussfunktion der Harnröhre zu einem Urinverlust.
Eine andere Form ist die Dranginkontinenz. Dabei ist die Muskulatur der Blasenwand überaktiv und zieht sich schon bei geringem Füllstand zusammen. Der Harndrang tritt so plötzlich auf, dass die Toilette häufig nicht mehr rechtzeitig erreicht wird. Etwa ein Drittel der Betroffenen kämpft mit einer Kombination aus beiden – einer Mischinkontinenz.
Egal, welche Variante zutrifft, kaum jemand spricht darüber: Laut einer Umfrage der Medizinischen Kontinenzgesellschaft Österreich (MKÖ) haben zwei von drei Befragten noch nie medizinische Hilfe in Anspruch genommen.
Viele der Betroffenen bleiben daher unbehandelt. Wer jedoch keine Hilfe erhält, kann an vielen gesellschaftlichen Veranstaltungen nicht mehr teilhaben.
Barrieren überwinden
Die meisten Behandlungen werden von der Krankenkasse übernommen oder unterstützt. Bei entsprechender Indikation gilt das auch für spezielle Inkontinenzprodukte. „Es wird aber nur ein gewisser Bedarf gezahlt. Das ist für viele Betroffene ein Problem, denn dieser Beitrag reicht oft nicht aus und dann wird es kostspielig“, betont Piskernik.
Und noch eine Herausforderung ergibt sich im klinischen Alltag: „Sprachbarrieren sowie religiöse oder kulturelle Gepflogenheiten können Einfluss auf die erfolgreiche Behandlung und Versorgung haben“, sagt der Urologe Kadir Tosun vom Referat für Interkulturelle Zusammenarbeit und Integration der Ärztekammer Wien. „Diese Patienten brauchen gezielte Informationen sowie ihren Lebensgewohnheiten angepasste Hilfs- und Lösungsmöglichkeiten.“
Je öfter dieses Thema angesprochen wird, desto weniger Menschen müssen still leiden.
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