Wahrscheinlich kein dauerhafter Schutz nach Coronavirus-Infektion
Neue Daten zeigen, dass die Immunität - falls überhaupt vorhanden - zeitlich begrenzt ist. Man erkrankt beim zweiten Mal zwar milder, ist aber wieder infektiös.
„Vieles deutet darauf hin, dass es nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 keine dauerhafte und keine vollständige Immunität geben wird.“ Das sagt Lukas Weseslindtner, Antikörperspezialist am Zentrum für Virologie der MedUni Wien, angesichts neuer Studiendaten. Die wichtigsten Erkenntnisse:
Menge der Antikörper: Die Höhe der Spiegel der Antikörper, der Abwehrstoffe, hängt bei den meisten Infizierten davon ab, wie schwer die Erkrankung verläuft. „Jemand, der sich sehr lange mit dem Virus auseinandersetzen muss, hat danach in der Regel höhere Antikörper-Spiegel als jemand mit einem milden Erkrankungsverlauf – es gibt aber auch Ausnahmen.“
Dauer des Schutzes: Erste Nachuntersuchungen von zu Beginn der Pandemie Erkrankten zeigen: Innerhalb von drei Monaten fällt die Menge der vor einer neuerlichen Infektion schützenden („neutralisierenden“) Antikörper deutlich ab. Der Guardian berichtet über eine Montag veröffentlichte (aber noch nicht begutachtete) britische Studie, wonach die Antikörperkonzentration innerhalb von drei Monaten um bis zum 23-Fachen zurückging – bei manchen Genesenen waren gar keine Antikörper mehr nachweisbar.
Auch bei den ersten Münchner Patienten zeigte sich ein Abfall. „Das heißt aber noch nicht, dass gar kein Schutz mehr besteht“, betont Weseslindtner. „Aber er ist möglicherweise nicht so umfassend, wie wir uns das gewünscht hätten.“
Andere Schutzfaktoren: Höchstwahrscheinlich schützen neben den Antikörpern auch andere Teile des Immunsystems: „Konkret T-Gedächtniszellen, die das Virus bei einer neuerlichen Infektion erkennen und, sofern es sich um T-Killerzellen handelt, infizierte Zellen zerstören.“ Eine erhöhte Aktivität dieser Zellen konnte bei SARS-CoV-2-Patienten bereits nachgewiesen werden. Und: T-Zellen, die auf harmlose Erkältungscoronaviren reagieren, werden bei manchen Patienten auch gegen das neue Virus aktiv. „Wer schon von Coronaviren ausgelöste Erkältungen hinter sich hat, könnte einen Teilschutz gegen SARS-CoV-2 haben.“
Wiederkehrende Infektion: Ein realistisches Szenario ist, dass man – ähnlich wie bei den Schnupfenviren – in regelmäßigen Abständen immer wieder eine Infektion durchmachen kann. „Von Mal zu Mal aber milder, bis so eine Infektion wirklich wie eine banale Erkältung abläuft. Allerdings bleibt man wahrscheinlich ansteckend.“
Keine Herdenimmunität: „Diese Daten bedeuten, dass man einen weiteren Nagel in den Sarg der Herdenimmunität einschlagen kann“, wird ein britischer Virologe im Guardian zitiert. Dazu Weseslindtner: „Es schaut ganz danach aus, dass das Konzept, möglichst viele Menschen möglichst rasch zu infizieren, nicht nur ethisch problematisch ist. Es scheint auch wissenschaftlich gesehen nicht zu funktionieren, wenn man sich neuerlich infizieren und andere anstecken kann.“
Und es gebe mittlerweile noch einen Grund dagegen: „Es kann schon sein, dass man selbst einen milden Verlauf hat, der Angesteckte aber letztlich nicht. Es mehren sich die Daten über Langzeitfolgen auch nach leichten Erkrankungen, etwa in der Lunge. Man muss also so vielen Menschen wie möglich die Infektion ersparen.“
Folgen für Impfstoffe: „Sinkende Zahl der Corona-Antikörper dämpft Hoffnung auf Impfstoff“, titelten manche deutsche Medien. „So sehe ich das nicht“, sagt Weseslindtner. „Aber ein Impfstoff wird wahrscheinlich die Produktion sehr hoher Antikörper-Spiegel auslösen müssen oder auch noch andere Teile des Immunsystems stimulieren müssen, um einen Schutz bieten zu können.“ Und: Es könnte sein, dass – besonders Risikogruppen – eine regelmäßige Auffrischung benötigen, ähnlich wie bei der Influenza.
„Wobei der Grund ein anderer ist: Die Influenza-Viren verändern sich genetisch so rasch, dass man den Impfstoff jährlich daran anpassen muss. Bei SARS-CoV-2 hingegen braucht das Immunsystem wahrscheinlich einfach regelmäßig einen Booster, eine Auffrischung.“
Die Impfstoffentwicklung bremst das nicht: Montag hat die US-Behörde FDA dem US-Konzern Pfizer und dem deutschen Unternehmen Biontech ein beschleunigtes Zulassungsverfahren für zwei Impfstoffkandidaten genehmigt.
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