Tinnitus: Was Sie gegen das lästige Klingeln im Ohr tun können
Er kann klingeln, rauschen, hämmern oder pochen, ein oder zwei Ohren betreffen, nach kurzer Zeit verschwinden oder jahrelanger Begleiter sein. Statistisch gesehen hat jeder achte Mensch in Österreich einen Tinnitus. Trat er lange Zeit vorwiegend im höheren Alter auf, sind heute immer mehr Junge betroffen, häufig bereits Jugendliche.
Das führt mitunter zu vermehrten psychischen Leiden: Schlafstörungen, Gereiztheit oder Depressionen sind häufige Folgen. "Fast ausnahmslos führt ein Tinnitus, wenn er entsprechend lang besteht, zu einer Opfersituation“, beschreibt Herwig Edlinger. Der langjährige Leiter einer HNO-Klinik mit Tinnitus-Zentrum in Feldbach, Stmk., weiß "von nicht wenigen, die wegen ihres Tinnitus Suizid begangen haben“, sagt er. "Und so weit darf es natürlich nicht kommen.“
Eigenverantwortung
Die Ursachen für den lästigen Ton im Ohr sind vielfältig (siehe unten). Stress ist besonders häufig der Auslöser. "Der berufliche Leistungsdruck wird immer größer. Viele Menschen, besonders die Jungen, versuchen, das mit einem besonders intensiven Freizeitleben zu kompensieren“, beklagt Edlinger. Das Problem: Die Regenerationszeit ist eingeschränkt. Die gesteigerte Ausschüttung der Stresshormone Adrenalin- und Noradrenalin führt zu Gefäßverengungen und in weiterer Folge zu Durchblutungsstörungen und somit auch zu Schädigungen im Innenohr.
Ein akuter Tinnitus dauert dann rund drei Monate; ab einem Jahr gilt er als chronisch. In den vergangenen Jahren haben sich gerade bei letzterem Typen große therapeutische Fortschritte aufgetan, zeigt sich der Experte optimistisch. Für eine Heilung sei jedoch auch die Eigenverantwortung der Betroffenen ausschlaggebend: "Eine erfolgreiche Therapie hat zwei Wurzeln: Die eine liegt im Therapeutenteam, die andere beim Patienten.“ In seinem Buch "Selbsthilfe bei Tinnitus“ (Facultas Verlag, 15 Euro) zeigt der inzwischen pensionierte Facharzt, wie man die Anfälligkeit für Tinnitus reduziert und Betroffene ihre Lebensqualität steigern können.
Innenohr
In über 90 Prozent der Fälle ist der Tinnitus durch eine Innenohrstörung bedingt. Dazu gehören z. B. stressbedingte Durchblutungsstörungen, Störungen der Halswirbelsäule oder des Kreislaufs, virale oder bakterielle Infektionen sowie akuter und chronischer Lärm.
Außenohr
In ca. zehn Prozent liegt die Ursache außerhalb des Innenohres, also im übrigen Hörsystem oder sogar außerhalb des Hörsystems. So z. B. im äußeren Ohr oder Mittelohr bzw. im Bereich des Hörnervs, aber auch im Kiefergelenk, in einer psychischen Erkrankung oder in einer hormonellen Störung.
Ernährung und Sport
Essenziell sei dafür vor allem ein gesunder Lebensstil, so der HNO-Arzt. Neben ausreichend Schlaf, weniger Stress und geregelten zwischenmenschlichen Beziehungen zählt dazu die richtige Kost: "Ernähren Sie sich kalorienreduziert, das heißt fettarm sowie zuckerarm, und vermeiden Sie Innereien sowie hohe Mengen an Kochsalz.“ Bestimmte Genussmittel wie Kaffee, Schwarztees, Alkohol oder Tabakrauch können Tinnitus ebenfalls auslösen oder Beschwerden verstärken. Der Arzt empfiehlt Lebensmittel, die reich an Antioxidantien sind, etwa Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte oder Obst und Gemüse. Auch regelmäßige Bewegung kann Tinnitus vorbeugen oder bestehende Ohrgeräusche lindern.
"Ein Spaziergang in der Natur ist schon sehr hilfreich“, ist er überzeugt. Dabei komme es zu einer geringeren Ausschüttung von Stresshormonen und infolge zu einer besseren Bewältigungsstrategie. "Der Tinnitus soll einen möglichst kleinen Platz im Bewusstsein einnehmen“, fasst Edlinger zusammen. Bereits eine einfache Beschäftigung sei dafür das beste Mittel zum Zweck: „Wenn ich ein Hobby ausübe, bin ich geistig konzentriert und nehme den Tinnitus als viel weniger störend war.“
Allgemein gilt: Je früher eine Abklärung und Therapie eingeleitet werden, umso besser stehen die Möglichkeiten auf Heilung. Eine Chance auf Besserung bestehe aber immer, auch wenn der Tinnitus bereits jahrzehntelang besteht. Zu lange, bemängelt der Experte, habe Tinnitus von Ärztinnen und Ärzten nicht die notwendige Aufmerksamkeit erhalten. "Alles gilt, nur nicht der Satz ‚damit musst du leben‘“, ist Edlinger überzeugt. Der habe überhaupt keine Berechtigung.
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