Besonders das chinesische Videoportal TikTok, das von vielen Kindern und Jugendlichen genutzt wird, habe das Prinzip perfektioniert. Buhl-Aigner: „Schon beim Öffnen wird ein Video abgespielt und man erhält vorgefilterte Informationen, die ein Algorithmus für einen anordnet. Dieser basiert darauf, was ich gerne ansehe, was ich kommentiere und weiterschicke – das alles wird gespeichert und bestimmt, welche Inhalte mir angezeigt werden.“
Belohnung fürs Hirn
Die Anordnung folgt dem Prinzip variabler Belohnung. Das heißt: Es wird in einer unregelmäßigen Reihenfolge Bekanntes und Neues ausgespielt. „Ich weiß, die Belohnung kommt, aber ich weiß nicht genau, wann. Das zieht vor allem Kinder und Jugendliche in einen Flow und hat extreme Suchtwirkung. Die Plattform ist wie ein Spielcasino, wo man nicht weiß, wann man gewinnt.“ Hinzu komme, dass das jugendliche Gehirn besonders auf soziale Verbindungen eingestellt sei und soziale Netzwerke die ideale Gelegenheit bieten, mit anderen in Kontakt zu treten.
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Bleibt man dem Portal einige Zeit fern, wird man mit Benachrichtigungen gelockt, doch wieder vorbeizuschauen. Während es Erwachsenen meist gelingt, sich nach einer gewissen Zeit wieder zu entziehen, bleiben Jugendliche oft hängen. Denn: Jene Hirnregionen, die an der Abwehr von Versuchung und Belohnung beteiligt sind, sind noch nicht so ausgereift wie bei Erwachsenen. „Genauso wie in anderen Lebensbereichen müssen Kinder bewusstes Nutzen von Sozialen Netzwerken und Onlinespielen erst lernen“, sagt Buhl-Aigner.
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Eltern müssten regulierend eingreifen. Das heiße nicht, das Handy wegzunehmen oder Soziale Netzwerke zu verbieten. Es brauche aber Begleitung und Unterstützung. „Eltern sollten die Plattformen und Spiele, die ihre Kinder nutzen, selbst ausprobieren und mit ihnen darüber sprechen, welche Inhalte sie nutzen. Der Zugang sollte sein: ,Ich verstehe, dass dir das wichtig ist, aber es gibt gleichzeitig Regeln’.“
Sich selbst damit zu befassen, sei nötig, um mit den Kindern auf Augenhöhe über die Inhalte reden zu können. Ob man dem eigenen Kind die Nutzung einer Plattform erlaubt, müssten Eltern selbst einschätzen. Sie rät dazu, sich zumindest an den offiziellen Altersvorgaben der Plattformen zu orientieren.
Offiziell ab 13 Jahren
TikTok ist in Österreich z. B. ab 13 Jahren erlaubt. Zwar werde das Alter nicht überprüft, die Inhalte sind aber nicht für Jüngere bestimmt. „Alle Themen aus dem realen Leben gibt es auch im Internet, etwa Gewalt, Kriegspropaganda, Pornografie. Oberflächlich hat es den Anschein, als würde vieles gefiltert, es gibt aber viele Inhalte, die nicht für Minderjährige geeignet sind.“
Sehr wichtig sei, mit Kindern über die Inhalte zu sprechen. Merkt man, dass die Plattformen zu viel Zeit in Anspruch nehmen und soziale Kontakte, die Leistungen in der Schule und andere Interessen abnehmen, sollte man versuchen, den Fokus auf andere Lebensbereiche zu lenken. Dabei hilft es, Gewohnheiten zu durchbrechen, etwa einen Radiowecker statt das Handy zu nutzen, um nicht gleich in der Früh zum Handy zu greifen. Dringen Eltern nicht mehr durch, kann bei Familienberatungsstellen Rat gesucht werden (www.familienberatung.gv.at).
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