Studie: Wer weniger trinkt, lebt länger

Studie: Wer weniger trinkt, lebt länger
Die Autoren einer neuen Studie kritisieren, dass die Empfehlungen für Alkohol in vielen Ländern zu hoch angesetzt sind.

Je weniger Alkohol, desto besser. Das Sterberisiko bei regelmäßigem Alkoholkonsum steigt bereits ab einer Menge von mehr als hundert Gramm pro Woche. Das hat eine Analyse der Daten aus 83 entsprechenden Studien mit insgesamt 599.912 Personen mit Alkoholkonsum ergeben, die von einem internationalen Wissenschafterteam mit österreichischer Beteiligung in The Lancet veröffentlicht worden ist.

"Das Mortalitätsrisiko steigt bei einem Alkoholkonsum von mehr als hundert Gramm pro Woche an. Auch das Herz-Kreislauf-Risiko erhöht sich. (...) Eine geringe Menge Alkohol - und das war bereits bekannt - stellt einen gewissen Schutzfaktor beim Herzinfarkt dar. Aber bei allen anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Schlaganfälle, chronische Herzschwäche, Bluthochdruck und Ähnliches erhöht sich das Risiko ebenfalls. Die schädlichen Effekte überwiegen also", sagte Epidemiologe Peter Willeit von der neurologischen Universitätsklinik der MedUni Innsbruck gegenüber der APA. Er ist mit dem Innsbrucker Neurologen Stefan Kiechl von der Universitätsklinik einer der Co-Autoren der Studie von Erstautorin Angela Wood von der Abteilung für Öffentliche Gesundheit der Universität Cambridge in Großbritannien.

Daten von 600.0000 Probanden

Die Wissenschafter haben keine neuen Daten gesammelt, sondern die Informationen aus 83 bereits vorhandenen wissenschaftlichen Untersuchungen zu dem Thema mit den Informationen von fast 600.0000 Probanden zusammengefasst und analysiert. Das Hauptergebnis: Bei einem Alter von 40 Jahren verringert bereits ein Alkoholkonsum von hundert bis 200 Gramm pro Woche die Lebenserwartung von Männern und Frauen im Vergleich zu weniger Alkohol um durchschnittlich um sechs Monate, bei einem Konsum von 200 bis 350 Gramm pro Woche um ein bis zwei Jahre und bei mehr als 350 Gramm Alkohol pro Woche um gar vier bis fünf Jahre.

"Die hundert Gramm Alkohol pro Woche würden etwa sieben Achtelgläser Wein pro Woche entsprechen", sagte Willeit. Sein Kollege Kiechl betonte: "Wer den Alkoholkonsum reduziert und höchstens sechs bis sieben Achtel Wein bzw. maximal vier große Bier pro Woche trinkt, kann das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen gering halten und dazu beitragen, länger zu leben."

Kritik an geltenden Empfehlungen

Wahrscheinlich, wie Willeit sagte, müssten die geltenden Empfehlungen, was gesundheitlich noch tolerablen Alkoholkonsum angehe, in vielen Ländern auf niedrigere Werte gesenkt werden. So galt in den USA beispielsweise bisher eine Wochenmenge von höchstens 196 Gramm Alkohol für Männer und von 98 Gramm für Frauen als Empfehlung. In Österreich hat das Gesundheitsministerium eine Empfehlung von höchstens 26 Gramm Alkohol pro Tag bei Männern (168 Gramm pro Woche) und höchstens 16 Gramm pro Tag für Frauen (112 Gramm/Woche) veröffentlicht.

Negative Effekte auch bei geringeren Mengen

Die Frage von "Grenzwerten" beim Alkoholkonsum ist aber laut dem Ärztlichen Leiter des Wiener Anton Proksch Instituts, Michael Musalek, sehr problematisch: "Das ist ein Verwirrspiel." Man müsse immer darauf achten, auf welchen Kriterien solche Angaben basierten. So wird in Österreich der Konsum von durchschnittlich 60 Gramm reinem Alkohol pro Tag für Männer (drei Krügel Bier, sechs Achtel Wein; 420 Gramm pro Woche) als auf jeden Fall gesundheitsgefährlich eingestuft. Bei Frauen sind es 40 Gramm Alkohol pro Tag (zwei Krügel Bier oder ein halber Liter Wein; 280 Gramm pro Woche). "Wenn jemand jahrelang soviel Alkohol konsumiert, bekommt der Betroffene zu hundert Prozent einen Leberschaden", sagte Musalek.

Klar ist damit aber auch, dass erste negative Effekte von regelmäßigem Alkoholgenuss auch schon bei geringeren Mengen an dauerhaftem Konsum auftreten (können). Außerdem kommt es laut von dem Wiener Psychiater und Suchtexperten zitierten wissenschaftlichen Arbeiten auch auf die Art der alkoholischen Getränke an, zum Beispiel auf die enthaltenen Restmengen von Methylalkohol etc., wenn es um das schädigende Potenzial geht.

 

Alkoholabhängigkeit in Österreich

Die Problematik der Entwicklung einer Alkoholabhängigkeit ist eine andere Frage. "Alkohol ist eine Substanz mit relativ geringem Suchtpotenzial. Man muss schon lange und sehr viel trinken, um abhängig zu werden. Umgekehrt ist Alkohol das Suchtmittel, das die meisten Organschäden verursacht", merkte Musalek dazu an. Bei Heroin sei das umgekehrt - hohes Suchtpotenzial, aber viel weniger organische Schäden.

Wenn es um Abhängigkeit und Sucht geht, schlägt in Österreich der Alkohol alles. Rund 200.000 Menschen neigen zu exzessivem Trinken. Das hat beispielsweise eine repräsentative Umfrage (GfK) im Jahr 2015 ergeben. Neun Prozent der Bevölkerung trinken vier Mal oder öfter pro Woche Alkohol. Die Jahres-Konsummenge von 12,2 Litern reinem Alkohol ist im EU-Vergleich einer der Spitzenwerte.

"Die Mehrheit der Österreicher trinkt moderat (Alkohol; Anm.). 14 Prozent trinken in einem problematischen Ausmaß. Männer trinken doppelt so häufig (19 Prozent; Anm.) in einem problematischen Ausmaß wie Frauen (neun Prozent; Anm.)", sagte dazu Julian Strizek vom Kompetenzzentrum Sucht der Gesundheit Österreich GmbH im Jahr 2016. Aus einer Zeitreihenbetrachtung zwischen 1994 und 2015 hätte sich allerdings ergeben, dass der Anteil der Menschen an der österreichischen Bevölkerung, welche gesundheitsgefährdend Alkohol trinken, von 18 auf 14 Prozent gesunken ist.

Bei den Wienern und "ihren" Drogen geht es vor allem um Alkohol, an zweiter Stelle um das Nikotin. Das ging zuletzt aus dem "Suchtmittel-Monitoring 2017" der Sucht- und Drogenkoordination Wien hervor, dessen Daten im Dezember 2017 veröffentlicht worden sind. Die entsprechende IFES-Umfrage lief mit 600 Befragten über 15 Jahren von Juni bis August vergangenen Jahres. Fast jeden Tag Alkohol trinken demnach zehn Prozent der Wiener (2013: 17 Prozent; 2015: 12 Prozent), zwei- bis dreimal pro Woche 20 Prozent (2013: 18 Prozent; 2015: 23 Prozent). Bei den Männern steht zumindest fast täglicher Alkoholkonsum bei 15 Prozent auf dem Programm, bei den Frauen bei fünf Prozent.

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