Manche Supermärkte bieten deshalb stille Stunden an: Während dieser Zeit wird das Licht gedimmt, es gibt keine Durchsagen oder Musik. Laute Gespräche, etwa mit dem Handy, sollen unterlassen werden, das Piepsen der Kassa wird leiser gestellt oder ganz ausgeschaltet. Das Konzept stammt ursprünglich aus Neuseeland und ist dort bereits flächendeckend verbreitet.
Bisher nur in 9 Billa-Filialen möglich
Auch in Österreich kommen die stillen Stunden langsam an. Bisher gibt es sie aber nur in neun Billa-Filialen, eine davon in Wien. Die Zeiten sind von Standort zu Standort verschieden, jedoch alle am Nachmittag. "Die stille Stunde wird gemeinsam mit lokal ansässigen Sozialorganisationen an Orten eingeführt, an denen vermehrter Bedarf nach reizarmem Einkaufen besteht. Sie findet während einer Stunde des Tages statt, wo mit wenig Kunden- und Lieferantenaufkommen gerechnet wird, damit der Markt wirklich ruhig sein kann. Manche Standorte mit durchgehend starker Frequenz scheiden daher von vornherein aus", betont Simone Hoepke von Rewe.
Sonnenbrille hilft
In den teilnehmenden Filialen werden Piepstöne der Kasse sowie das Radio ausgeschaltet. Auf Wunsch kann eine Sonnenbrille ausgeliehen werden. Die Mitarbeiter sind speziell geschult, etwa langsamer zu kassieren oder mehr Abstand zu halten. Die Rückmeldungen aus der Community, aber auch von Menschen ohne Autismus seien positiv, sagt Koppatz: "Es ist ein sehr guter Vorstoß in die richtige Richtung und ein tolles Anerkennen dessen, dass es Menschen mit besonderen Bedürfnissen gibt, die als solche einen Platz in unserer Gesellschaft haben."
Für die Autistenhilfe ist das Angebot in Österreich allerdings noch "ausbaufähig", es seien schlicht zu wenig Filialen und Zeiten, die – nur auf den Nachmittag begrenzt – für Berufstätige nicht geeignet seien. Rewe plant die stillen Stunden zwar in weiteren Billa-Filialen, in anderen Märkten des Konzerns derzeit aber nicht. Bei Spar sind keine stillen Stunden geplant, ebenso bei Hofer, wo jedoch auf Hintergrundmusik verzichtet wird und versucht werde, "den Lärmpegel sehr gering zu halten", heißt es auf KURIER-Anfrage. Bei Lidl habe es bisher noch keine Anfragen zu stillen Stunden gegeben, "daher sehen wir aktuell keinen Bedarf dafür", man werde das Thema jedoch intern besprechen.
Die USA sind schon viel weiter
Etwas weiter ist Deutschland, wo die Zahl teilnehmender Geschäfte und Cafés stetig zunimmt. Die Initiative "Stille Stunde" sammelt auf ihrer Website etwa Standorte. Von einem flächendeckenden Angebot ist man aber auch hier weit entfernt. Vorreiter sind neben Neuseeland die USA, wo neben zahlreichen Supermarktketten auch Museen, Theater und Kinos Angebote für neurodivergente Menschen (siehe Info) machen.
In Österreich müssten viele Menschen mit Autismus versuchen, ein für sie passendes Konzept beim Einkaufen zu finden, indem sie etwa Kopfhörer oder eine Sonnenbrille tragen, um Reize zu reduzieren. Die meisten wüssten, wann in ihren Lieblingsgeschäften weniger los ist. Abends werde etwa oft schon die Musik abgeschaltet und es gibt keine Durchsagen mehr.
Autismusversorgung steckt noch "in den Kinderschuhen"
Es brauche Therapien und Beratung für Betroffene. "Die Autismusversorgung steckt in Österreich aber noch in den Kinderschuhen. Zwar hat sich in den vergangenen Jahren einiges bewegt, das Verständnis ist gestiegen, viele sind informierter. Autismusspezifische Therapien werden aber immer noch nicht von der Krankenkasse bezahlt. Mit den richtigen Tools und Behandlungen wäre die Bewältigung des Alltags wesentlich einfacher", sagt Koppatz.
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