Dahinter steckt naturgemäß mehr, als einfach negative Gedanken oder Ereignisse schlicht zu vergessen. Das Team um Zulkayda Mamat und Michael C. Anderson fragte sich, ob es möglich sei, den Menschen mit belastenden Gedanken zu helfen, um diese zu unterdrücken. Und zwar in Form eines besonderen Trainings. Dafür wählten sie aber keine vergangenen Situationen, sondern solche, die erst eintreten. Sie baten dafür 120 Freiwillige aus 16 Ländern, sich nahe Zukunftsszenarien vorzustellen. Negative Ereignisse, etwa den Verlust eines geliebten Menschen, nannte jeder der Teilnehmer und Teilnehmerinnen. Dazu kamen Hoffnungsszenarien. In einem nächsten Schritt sollten sie jeden Gedanken nach Intensitätsgraden bewerten.
Gedanken werden gezielt unterdrückt
Mit Hilfe von Zoom-Trainingseinheiten (3 Tage, je 20 Minuten) trainierten die Forschenden ihre Probanden und Probandinnen. Geteilt in zwei Gruppen, wurden negative und neutrale Ereignisse gesucht, mit Schlüsselwörtern versehen - und mit diesen geübt. Beim Training wurden sie mit diesen von ihnen gewählten Schlüsselworten konfrontiert. Siwe solten die Schlüsselworte anschauen und dabei nicht an das gewählte Szenario, das sie belastete, denken.
Dabei wurde der Fokus auf die bewusste Ausrichtung der Gedanken gerichtet. Die Teilnehmer sollten alles abblocken, was das Wort auslöste. Nach drei Tagen sollten die beiden Gruppen bewerten, wie intensiv sie die Szenarien erlebt hatten, welche Gefühle sie hatten und wie sie sich psychisch fühlten. Die Bewertung wurden nach drei Monaten wiederholt.
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Teilnehmer profitierten unterschiedlich vom Training
In beiden Gruppen zeigte sich, dass jene Gedanken, die aktiv unterdrückt worden waren, nach dem Training weniger lebhaft wahrgenommen wurden. Bei jener Gruppe, die für die Studie Ängste unterdrückt hatten, war der Effekt am deutlichsten sichtbar. Am meisten scheinen psychisch stark belastete Probanden zu profitieren.
Zwar stehen ihre Erkenntnisse "im Gegensatz zum gängigen Narrativ, dass Verdrängungen schädlich sein können", schreibt Anderson in einer Aussendung. Aber "möglicherweise kann es sogar vorteilhaft sein". Auf jeden Fall seien noch weiter Untersuchungen notwendig, um das zu bestätigen.
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Andere Experten sind skeptisch
Primar Martin Aigner, Leiter der Klinische Abteilung für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin und Präsident der Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie hält es nicht für sinnvoll, aus den Studienergebnissen Schlüsse zu ziehen. "Unklar bleibt mir, worauf die Autoren ihre Schlussfolgerungen beziehen. Die hohen Signifikanzen sind nicht nachvollziehbar", erläutert er. Ebenso fehle die Eingangsdiagnose der Probanden und Probandinnen. "Möglicherweise sind hier Menschen mit einer Krankheit und ohne Krankheit vermischt."
In der Mehrheit der Fälle gehe es darum, Verdrängungen aufzuheben, betont. Psychotherapeut Peter Stippl. Nur in sehr speziellen Fällen, "die man von Fall zu Fall genau analysieren muss", sei es sinnvoll, eine Verdrängung vorerst nicht zu bearbeiten, sondern für eine Stabilisierung der Person zu sorgen. "Diese Fälle sind sehr selten und es handelt sich um genau zu hinterfragende Belastungen."
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