"Entwicklungsturbo": Wie man Ängste für sich nützen kann

"Entwicklungsturbo": Wie man Ängste für sich nützen kann
Die Psychiaterin Constanze Dennig spricht im Interview darüber, warum wir nie angstfrei sein werden, aber gerade deshalb Glück finden.

Angst ist besser als ihr Ruf, meint die Wiener Psychiaterin Constanze Dennig. In ihrem neuen Buch geht es nicht darum, wie man Ängste am besten loswird, sondern wie man sie versteht und zu nützen weiß. Der KURIER traf Dennig zum Gespräch.

KURIER: Frau Dennig, was ist Angst eigentlich?

Constanze Dennig: Angst entsteht, wenn ein Reiz dem Gehirn Lebensgefahr vermittelt, auch wenn das eigentlich nicht stimmt. Es kommt zu Herzrasen, Zittern, Schweißausbrüchen und psychischer Erregung. Das Problem ist, dass meist überhaupt keine Lebensgefahr besteht. Anders als das Tier fürchtet sich der Mensch auch vor Dingen, die nicht ad hoc stattfinden, und versucht, Strategien zu finden, um ihr Eintreten zu verhindern. Das hat unser Überleben gesichert und war ein Entwicklungsbooster für die Menschheit. Unsere Kultur, Religionen, alles beruht auf der Prämisse, irgendetwas Schlimmes zu verhindern.

Warum kommt Religion dabei große Bedeutung zu?

In dem Augenblick, wo ich die Kontrolle an jemanden delegiere, etwa einen Gott, den ich bitten kann, dass er alles für mich gut macht, bin ich zu einem Teil angstbefreit, vor allem, wenn er das Problem des Todes lösen kann. Die Todesangst ist unsere bestimmende Angst. Alle Kulturen schaffen sich eine Religion, die verhindert, dass es nach dem Tod aus ist. Selbst der beste Wissenschaftler hat magisches Denken, auch wenn er nicht religiös ist. Es gibt dann andere Strategien, damit umzugehen, etwa sich zu sagen, ich lebe im Moment, wer weiß, was morgen ist. Nur ist es immer ein Versuch, diese Angst nicht zuzulassen.

Warum ist die Todesangst so eine Urangst?

Die Todesangst ist eine Furcht vor dem Ungewissen und eine Angst vor dem Ich-Verlust, weil alles, was mich ausmacht, dann weg ist. Wir wissen ja nicht, was danach kommt. Aber die Erfindungskraft des Menschen hat sich nach dem Tod ein Jenseits geschaffen, wo es einem entweder gut oder schlecht geht, was natürlich eine große Machtbefugnis der Menschen ist, die das bestimmen. Problematisch wird es, wenn mit der Angst Geschäfte gemacht werden und Menschen in eine Abhängigkeit geraten, wie das im Bereich der Esoterik oft der Fall ist.

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