Im Sommer plagt nicht nur die Hitze: Auch Insektenstiche oder Pollenflug können die Zeit im Freien trüben.
Was moderne Hitzestifte bei Insektenstichreaktionen bringen, welche Pflanzenallergene jetzt in der Luft liegen und warum Stadtbegrünungsprojekte nicht immer Allergiker-freundlich sind.
In den heimischen Freibädern wird dieser Tage laufend mit Coolpacks und Essigwickeln hantiert: Es gilt, Bienen- und auch Wespenstiche bei Jung und Alt zu versorgen.
"In den meisten Fällen kommt es zu einer normalen Stichreaktion", weiß die Allergologin und Immunologin Erika Jensen-Jarolim. "Es entsteht ein Dippel, der etwas heftiger ist als nach einem Gelsenstich." Wobei die Schwellung bei Bienen- und Wespenstichen (auch bei deutlich selteneren Hornissen- und Hummelstichen) tiefer geht und das Gewebe bis zum nächsten Tag verhärtet und stark juckt.
Folgt auf einen Stich eine große lokale Hautreaktion – eine Schwellung mit einem Durchmesser von zehn bis 20 Zentimetern –, "kann eventuell eine Sensibilisierung vorliegen, die in Richtung Allergie geht, aber noch nicht gefährlich ist", führt die Expertin aus, die bei Stichen an der Hand die sofortige Entfernung von Ringen empfiehlt.
Umfangreiche Schwellungen sollten behandelt werden. Meist werden ärztlich Antihistaminika oder Cortison-Tabletten verordnet. "Wichtig ist, danach einen Allergie-Test zu machen", betont Jensen-Jarolim.
Bei noch heftigeren allergischen Stichreaktionen kommt es zu generalisierten Hautausschlägen, Quaddeln und Nesselausschlägen am ganzen Körper. Brenzlig wird es, wenn der Blutdruck abfällt: Man fühlt sich benommen und schwindelig. "Das kann bis zum Kreislaufkollaps führen", schildert Jensen-Jarolim.
Die gefährlichste allergische Stufe ist der anaphylaktische Schock. Die Symptome können bis hin zu Atemnot und Bewusstlosigkeit reichen. Zwischen drei und vier Prozent der Bevölkerung zeigen eine solche schwere, lebensbedrohliche Reaktion nach einem Bienen- oder Wespenstich. Pro Jahr sterben in Österreich im Schnitt zwei Menschen an dessen Folgen.
Ein anaphylaktischer Schock ist immer ein Notfall, der eine sofortige medizinische Behandlung erfordert. Jensen-Jarolim: "Personen mit diagnostizierter schwerer Allergie gegen Bienen- oder Wespenstiche sollten für solche Fälle ihre Notfallmedikamente – ein Antihistaminikum, Cortisonpräparate und vor allem einen lebensrettenden Adrenalin-Autoinjektor – mitführen." Wichtig sei, dass die Betroffenen und ihr Umfeld im Umgang mit dem Adrenalin-Autoinjektor gut geschult werden. "Damit man mit der – an sich simplen – Verabreichung vertraut ist."
Stiche im Mund oder Rachenraum können auch für Nicht-Allergiker lebensbedrohlich werden, weil es an den Schleimhäuten zu stärkeren Schwellungen kommt. "Das kann den Luftfluss beeinträchtigen, weswegen ich schon empfehle, in solchen Fällen den Notarzt zu rufen."
Nie aus einer undurchsichtigen Dose oder Flasche trinken, beim Essen und Trinken im Freien Gläser Schüssel usw. abdecken und gleich nach dem Essen den Tisch abräumen sowie Mund und Hände waschen.
Keine starken Parfüms oder Rasierwasser auftragen, das zieht Wespen an. Langärmelige, helle Kleidung hält sie fern.
Hektische Bewegungen in der Nähe von Wespen oder Bienen und auch Abfalleimer meiden. Nie näher als fünf Meter an ein Wespen- oder Bienennest herantreten.
Nie nach Wespen oder Bienen schlagen, stattdessen ruhig bleiben.
Insbesondere auf Blumenwiesen nicht barfuß laufen. Fallobst von Obstbäumen entfernen.
Allgemein gilt: Luftnot, Rötung am ganzen Körper, Schluck- und/oder Sprechbeschwerden, Schwellungen im Gesicht, Hals, Lippen, Zunge und Kaltschweißigkeit sind immer Anlass, den Notarzt zu verständigen, damit Bewusstlosigkeit, Atem- und Kreislaufstillstand verhindert werden können.
Körper behutsam an Giftstoffe gewöhnen
Langfristig kann man einer Bienen- und Wespenallergie mittels sogenannter Hyposensibilisierung beikommen. Bei dieser Allergen-Immuntherapie, die nur an spezialisierten Zentren durchgeführt wird, wird der Körper an den auslösenden Giftstoff gewöhnt: Durch Verabreichung von steigenden Mengen des Allergens entwickelt er eine Toleranz, allergische Reaktionen nehmen ab.
Bei herkömmlichen Stichreaktionen, insbesondere nach Mückenstichen, können Hitzestifte, auch thermische Stichheiler genannt, Schwellungen und Juckreiz lindern. "Neben batteriebetriebenen Produkten gibt es inzwischen auch solche, die man an das Handy anstecken kann. Die Stifte erhitzen sich auf über 60 Grad. Drückt man sie auf die Einstichstelle, führt das zur Eiweißvernichtung des Giftes – der Stich bleibt kleiner." Danach rät die Allergologin, eine kühle Kompresse aufzulegen.
Gelsenstiche plagen die Bevölkerung in immer größerem Ausmaß. Aufgrund des Klimawandels hat sich etwa die asiatische Tigermücke bei uns angesiedelt. "Diese Mücke sticht nicht nur wie heimische Arten in der Dämmerung, sondern den ganzen Tag über und kann neben unangenehmen Hautirritationen auch Tropenkrankheiten auslösen." Auch allergische Reaktionen sind möglich.
Neben der Hitze haben im Sommer auch so manche Pflanzenallergene Hochsaison. "An sonnigen Tagen mit starkem Wind kommt es durch das verstärkte Aufwirbeln der Pollenkörner zu hohen Belastungen", weiß Markus Berger, Leiter des Österreichischen Polleninformationsdienstes. Länger andauernde Niederschläge verringern die Belastung kurzfristig. Während der im Sommer häufigen Wärmegewitter am Nachmittag bzw. Abend kann ein anderes Phänomen beobachtet werden: das Gewitter-Asthma.
Blitzaktivität und andere während Gewittern herrschende Bedingungen sorgen dabei für vermehrtes Aufplatzen und Zerbröseln von Pollenkörnern. Dadurch werden mehr Allergene in die Luft entlassen. Die entstehenden Fragmente können tiefer in die Atemwege eindringen und so für einen plötzlichen Anstieg der allergischen Belastung sorgen.
Ein allergieauslösender Klassiker im Sommer sind die Pilzsporen: "Pilze lieben Hitze in Kombination mit Niederschlägen", beschreibt Katharina Bastl vom Pollenservice Wien der MedUni Wien. Rund zehn bis fünfzehn Prozent der Menschen, die von Allergien betroffen sind, reagieren auf Pilzsporen. Deutlich mehr – bis zu 50 Prozent – sind auf Gräserpollen allergisch. "Die gute Nachricht ist, dass wir den hohen Pollenflug der Gräser gerade verlassen", beschreibt Bastl. Wer schon bei geringer Pollenbelastung in der Luft mit Symptomen reagiert, leidet aber auch jetzt noch.
Nach einer intensiven Gräserblüte der heimischen Arten im heurigen Frühling kommen nun Gräser zur Blüte, die gut mit Hitze und Trockenheit zurechtkommen. "Da gehört das Hundszahngras dazu, oder auch die Fingerhirse – beides wärmeliebenden Gräser, die ursprünglich eher im Süden Europas beheimatet waren, sich aber aufgrund des Klimawandels zunehmend auch bei uns wohlfühlen", erklärt Bastl. Durch die klimatischen Veränderungen habe sich die Pollenflugzeit auch insgesamt verlängert.
Der steigenden Zahl der Hitzetage versucht man urbanen Gebieten mit Stadtbegrünungsprojekten beizukommen. "Das ist an sich absolut begrüßenswert, Verbesserungspotenzial gibt es noch bei der Auswahl der verwendeten Pflanzen", sagt Bastl. Besonders häufig werden Ziergräser wie Reit- oder Lampenputzergras gesetzt, die auch im Sommer blühen, "oder bis in den Herbst hinein wie etwa das Chinaschilf".
Wen Gräser zum Schnupfen bringen, der leidet oft auch unter der Wegerich-Blüte, die sich über den Sommer ziehen kann, weiß Bastl. "Auch der Ampfer blüht noch auf den Wiesen und liegt damit in der Luft." Birkenpollenallergiker können grundsätzlich aufatmen. "Manche Betroffene leider aber unter einer Kreuzallergie und entwickeln aufgrund der aktuell noch blühenden Edelkastanie Beschwerden", klärt Bastl auf.
Meersalzwasserspray und Augentropfen lindern Beschwerden
Die aktuelle Hitze bereitet Allergikerinnen und Allergikern zusätzlich Stress. "Hitze kann den Körper enorm strapazieren, wenn dann Allergiesymptome dazukommen, kann sich die Belastung verstärken", erklärt Bastl. Sinken die Temperaturen auch nachts nicht unter 20 Grad – man spricht von Tropennächten – leidet auch der Schlaf. "In Kombination mit einer Pollenallergie kann sich der Nachtschlaf noch weiter verschlechtern."
Lange Sonneneinstrahlung bei hohen Temperaturen führen laut Berger zur vermehrten Bildung des Treibhausgases Ozon, welches die Beschwerden befeuern kann. Der Experte empfiehlt, sich an den heißesten Tagen in kühlen Innenräumen aufzuhalten. "Moderne Gebäude verfügen oft über eine zentrale Lüftung mit eingebauten Pollenfiltern. Für den privaten Haushalt haben sich in den letzten Jahren Pollenschutzgitter für die Fenster und Luftreiniger als hilfreich erwiesen." Während Pollenschutzgitter verhindern, dass Pollenkörner in den Wohnraum gelangen, können Luftreiniger neben Pollen auch Ozon und andere Schadstoffe aus der Luft filtern. Im Außenbereich sind eine FFP2-Maske sowie Meersalzwasserspray für die Nase und befeuchtende Augentropfen ratsam.
Vor allem bei Bäumen und Sträuchern läuft die Blütezeit bei Hitze rascher ab. Eine echte Pause ist Allergie-Geplagten allerdings nicht gegönnt. Bastl: "Ab Mitte Juli werden uns nämlich dann die Unkräuter – Beifuß und Ragweed – beschäftigen."
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