Die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer - die Untersuchung wurde vom Hersteller von Semaglutid, Novo Nordisk, finanziert - waren alle 45 Jahre alt oder älter, sie waren stark übergewichtig und bereits von einer Herzgefäßerkrankung betroffen, hatten aber nicht Diabetes. Eine Gruppe erhielt für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren wöchentlich eine Spritze mit Semaglutid (2,4 mg), die andere eine Spritze mit einem Placebo.
Das überraschende Ergebnis: In der Semaglutid-Gruppe gab es in der Beobachtungszeit zwischen Oktober 2018 und März 2023 nicht nur weniger Todesfälle wegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z. B. Herzinfarkt). Es gab insgesamt weniger Todesfälle, egal, um welche Ursache es sich handelte.
"Niemand hat damit gerechnet"
Und was besonders auffällig war: In beiden Gruppen war zwar die Häufigkeit einer Infektion mit Covid-19 vergleichbar - aber unter den Erkrankten, die Semaglutid bekamen, gab es deutlich weniger Covid-Sterbefälle - der genaue Grund dafür ist nicht bekannt. "Ich glaube nicht, dass irgendjemand von uns mit einem derartigen Effekt gerechnet hat", wird einer der Studienautoren, der Kardiologe Benjamin Scirica von der Harvard Medical School, in der New York Times zitiert.
Der Wirkstoff Semaglutid habe weitreichende Vorteile, "die weit über das hinausgehen, was wir uns ursprünglich vorgestellt haben", sagt Harlan Krumholz in dem BBC-Interview.
Dr. Benjamin Scirica, Hauptautor einer der Studien und Professor für kardiovaskuläre Medizin an der Harvard Medical School, sagte, dass die Ergebnisse "bestätigen, dass Übergewicht und Fettleibigkeit das (frühzeitige, Anm.) Todesrisiko aus vielen Gründen erhöhen". Aber liegt jetzt die Reduktion der Sterblichkeit durch Semaglutid und auch andere Medikamente dieser Wirkstoffklasse - beziehungsweise die Lebensverlängerung - ausschließlich an den positiven Effekten der Gewichtsabnahme?
"Es ist mehr als nur die Gewichtsabnahme", sagt David Maron, Kardiologe in Stanford und Direktor des Stanford Prevention Research Center. Eine Vermutung ist: Die Medikamente verbessern den allgemeinen Gesundheitszustand und reduzieren chronische Entzündungen im Körper, die bei der Entstehung vieler Erkrankungen eine Rolle spielen können.
Die meisten Studien mit Medikamenten aus dem Bereich der Kardiologie etwa - wie Cholesterinsenker - zeigen gute Effekte, was die Verringerung von Todesfällen durch Herzerkrankungen betrifft, nennt Kardiologe Scirica ein Beispiel. Aber es gebe keinen Effekt auf andere Todesursachen. Bei den Abnehmspritzen sei das anders, sagt Scirica. Hier ist die Wirkung offenbar viel breiter.
Und deshalb würde es den Kardiologen Krumholz nicht überraschen, "wenn die Verbesserung der Gesundheit der Menschen auf diese Weise tatsächlich den Alterungsprozess verlangsamt".
In weiteren Studien soll jetzt untersucht werden, ob die Abnehmmedikamente auch einen Effekt auf die Reduktion anderer Infektionskrankheiten haben.
Auch die neuen Erkenntnisse ändern aber nichts daran, dass diese Medikamente kein Ersatz für eine gesunde Ernährung und ausreichende sportliche Betätigung sind. Und dass sie nur unter ärztlicher Aufsicht angeboten werden sollten.
Wie bei jedem Medikament kann es Nebenwirkungen und Risiken geben - etwa Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Verstopfung, Bauchschmerzen sowie Schwächegefühl oder Müdigkeit.
Die neuen Studienergebnisse stimmen die beteiligten Experten aber zuversichtlich, sagt Scirica: "Sie eröffnen neue Wege zu erforschen, wie diese Medikamentenklasse Patienten zugute kommen kann."
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