Schlaganfall: Antidepressiva verbessern bleibende Defizite nicht

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In Studien mit 3.800 Patienten ohne Depressionen offenbarte sich kein Effekt auf die Funktionserholung.

Eine seit einigen Jahren unter Schlaganfall-Spezialisten heiß diskutierte Frage ist erledigt: Trotz anfänglicher Hinweise auf einen möglichen positiven Effekt hat sich jetzt in groß angelegten wissenschaftlichen Studien gezeigt, dass "Prozac & Co.", also moderne Antidepressiva, keine Wirkung auf die bleibenden Beeinträchtigungen nach einem Schlaganfall haben.

Zwei dieser Untersuchungen wurden am Wochenende bei der Online-Weltschlaganfall-Konferenz (ESO-WSO2020) präsentiert.

Eine wissenschaftliche Untersuchung - allerdings mit nur 118 Teilnehmern - hatte bereits vor mehreren Jahren Hinweise darauf ergeben, dass unter einer Behandlung mit einem selektiven Serotonin-Reuptake-Hemmer (Fluoxetin) drei Monate nach einem ersten Schlaganfall 17 Prozent mehr Patienten ein unabhängiges Leben führen konnten als in einer Kontrollgruppe. Das führte zu weiteren und viel größeren wissenschaftlichen Studien.

Breite Forschungen

Die nun im Rahmen der Konferenz (geplant mit Veranstaltungsort Wien zunächst für das Frühjahr 2020, dann verschoben auf diesen Herbst und nun im Onlineformat) präsentierte schwedische EFFECT-Strudie wurde in Schweden mit 1.500 Schlaganfallpatienten durchgeführt. Alle benötigten wegen schwerer Beeinträchtigungen eine weitere Therapie. Die Kranken, die keine bestehenden Depressionen haben durften, nahmen sechs Monate lang entweder täglich 20 Milligramm Fluoxetin ein oder bekamen ein Placebo. Nach einem halben Jahr wurde der Zustand der Kranken nach dem etablierten Schlaganfall-Score (mRS) bewertet.

Zwischen den beiden Gruppen gab es keinen signifikanten Unterschied in ihrem funktionalen Status, dafür traten in der Fluoxetin-Gruppe doppelt so viele Knochenfrakturen auf als in der Kontrollgruppe. Allein das Neuauftreten von Depressionen war in der Fluoxetin-Gruppe statistisch signifikant seltener (sieben versus elf Prozent).

Auch die in Australien, Neuseeland und Vietnam durchgeführte, ganz ähnliche AFFINITY Studie (20 Milligramm Fluoxetin oder Placebo für sechs Monate nach einem Schlaganfall) mit insgesamt 1.280 Teilnehmern erbrachte ein negatives Ergebnis. Zwischen Behandlungs- und Kontrollgruppe gab es bezüglich des funktionalen Status nach einem Insult keinen Unterschied.

Eine weitere britische Untersuchung (FOCUS) zur Frage einer eventuellen Wirksamkeit von Fluoxetin nach Schlaganfall kam bereits in der jüngeren Vergangenheit zu einem de facto identischen Ergebnis (3.127 Teilnehmer).

Blutdruck im Blick

Dafür dürfte eine intensive Blutdruckkontrolle im mittleren Lebensalter auch langfristig einen positiven Effekt auf das spätere Schlaganfallrisiko haben. Das hat eine Langzeitanalyse der bereits vor mehr als 20 Jahren durchgeführten ASCOT-Studie (Großbritannien/Skandinavien) ergeben.

Die beteiligten Wissenschafter untersuchten die Daten der ehemaligen Studienpatienten aus Großbritannien. Dabei zeigte sich, dass eine im Rahmen der Studie erfolgte medikamentöse Blutdrucktherapie vor allem mit dem Kalziumantagonisten Amlodipin auch noch 20 Jahre später zu einem um 18 Prozent reduzierten Schlaganfallrisiko führte. Etwas geringer war der Effekt bei einer Therapie mit einem Betablocker. Auf das langfristige Demenz-Risiko hatte die Teilnahme an der Studie keine Auswirkung.

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