Nach Kriegsbeginn sind ein Psychologie-Professor der Kiewer Universität und eine Doktoratsstudentin nach Salzburg geflohen: "Ich war die einzige Person, die sie in Europa kannten." Über EU-Forschungsprogramme war es möglich, dass sie an der Uni Salzburg weiter wissenschaftlich arbeiten konnten. Und davon profitieren jetzt auch Menschen in der Ukraine, in dem sie ihren Schlaf verbessern konnten.
Schabus hatte in den vergangenen Jahren mit seinem Team und Mathematikern der Uni Salzburg eine Methode entwickelt, wie mit Hilfe der Herzaktivität der Schlaf analysiert werden kann. Konkret verwendet er dafür die sogenannte Herzratenvariabilität. Dabei handelt es sich um die Schwankungen in den Zeitintervallen zwischen aufeinanderfolgenden Herzschlägen. Diese kann mit einem Gurt auf der Brust oder am Oberarm exakt gemessen werden.
"Wir haben an der Uni Salzburg seit 20 Jahren ein Schlaflabor. Aus unserem Labor und von Partnerlaboren hatten wir einerseits von zahlreichen Personen genaue Schlafdaten wie Gehirnströme, Atmung, Muskelaktivität - und andererseits aber auch Daten zur Herzfunktion." Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz konnte ermittelt werden, wie die Herzdaten in den vier Stadien 'Wachheit, Leichtschlaf, Tiefschlaf, Traumschlaf' aussehen - es konnten also bestimmte Muster in der Herzvariabilität unterschiedlichen Schlafstadien zugeordnet werden. "Dadurch ist es jetzt möglich, nur mit einem einfachen Herzsensor den Schlaf fast genauso präzise zu analysieren wie in einem klassischen klinischen Schlaflabor", sagt Schabus.
Ergebnis dieser Forschung ist eine digitale Gesundheitsanwendung: Eine Schlaf-App (sleep²), die einerseits die Herzvariabilität misst und damit eine Schlafanalyse ermöglicht, und andererseits ein Schlafcoaching in Form von Informationen, Übungen und Tipps anbietet.
Schabus Kollege aus der Ukraine, Anton Kurapov, hat im Rahmen eines EU-Projekts die Inhalte der App ins Ukrainische übersetzt und diese generell auf die Kriegssituation adaptiert. Für eine erste Studie wurde die App samt Oberarmsensoren 160 Personen (Durchschnittsalter 25 Jahre) aus 16 der 24 Regionen der Ukraine - darunter auch stark umkämpfte Grenzregionen - für sechs Wochen zur Verfügung gestellt.
Basierend auf der Schlafanalyse durch die Messung ihrer Herzaktivität erhielten die Probandinnen und Probanden über die App konkrete Tipps und Übungen zur Schlafoptimierung wie angeleitete Entspannungsübungen oder Imaginationsreisen. Schabus: "In Westeuropa hat in solchen Studien jede und jeder Vierte schwere Schlafstörungen, in der Ukraine ist es jeder Dritte, der oder die angibt, regelmäßig schlecht zu schlafen. Ursprünglich dachten wir, dass es noch mehr sein werden, aber offenbar stellt sich durch die Vielzahl der Alarme ein Gewöhnungseffekt ein."
Nach den sechs Wochen Schlaftraining mit der App zeigte sich ein deutlicher Rückgang von subjektiv empfundenen Schlafproblemen, die Einschlafzeit und die Aufwachhäufigkeit reduzierten sich. Auch der eingangs erwähnten Studentin Iryna Nikulina gelang es, mit der Teilnahme an der Studie ihren Schlaf nachhaltig zu verbessern.
Im Herbst ist eine neuerliche Studie mit mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmern geplant. Schabus: "Es ist sicher nur ein kleiner Beitrag, aber besserer Schlaf macht gerade unter diesen extremen Bedingungen die Menschen widerstandsfähiger und auch gesünder."
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