Reiseimpfungen: Was heuer neu ist und worauf man generell achten sollte
Es muss keine Fernreise sein: Auch Reisen in Mittelmeerländer sollten Anlass sein, den eigenen Impfschutz überprüfen zu lassen, sagt Ursula Hollenstein, Reisemedizinerin und Fachärztin für Innere Medizin, vom Reisemedizinischen Zentrum Traveldoc. Zum ersten Mal seit vielen Jahren gebe es auch Neuerungen bei den Reiseimpfungen, wie etwa einen neuen Impfstoff gegen das Dengue-Fieber. Eine Übersicht.
Dengue-Fieber: Seit Anfang des Jahres ist in Österreich ein neuer Impfstoff gegen diese durch den Stich infizierter Stechmücken übertragene Erkrankung verfügbar. In Lateinamerika (besonders Brasilien) und in der Karibik gibt es heuer eine extrem starke Dengue-Saison, weltweit nahmen in den vergangenen Jahren u. a. als Folge der Erderwärmung die Infektionszahlen zu. Zuletzt sorgten aber auch Fälle rund um den Gardasee und Mailand für mediales Aufsehen. Die Erstinfektion verläuft zumeist mild, hingegen ist bei einer wiederholten Infektion das Risiko eines schweren Verlaufs deutlich erhöht. Bei dem früheren Impfstoff "gab es bei Geimpften in einigen Fällen Berichte über schwerere Verläufe bei einer Infektion, die trotz Impfung auftrat", sagt Hollenstein. Eine derartige Komplikation ist bei dem neuen Impfstoff noch nicht aufgetreten: "Es gibt jetzt seit der Zulassung Nachbeobachtungsdaten für einen Zeitraum von 50 Monaten, das sind schon zwei Dengue-Saisonen, ohne dass derartige Probleme aufgetreten wären."
Trotzdem wird der Impfstoff vorläufig nur Personen empfohlen, die bereits eine Dengue-Infektion hatten sowie Viel- und Langzeitreisenden und Menschen, die in Dengue-Gebieten leben. Reisenden nach Italien oder generell Süd- und Südosteuropa empfiehlt Hollenstein derzeit die Impfung noch nicht: "Dort kommt es lediglich zu Mini-Epidemien, die nach drei, vier Wochen wieder abflauen. Das ist mit der Situation in Südamerika überhaupt nicht vergleichbar."
Bei Reisen mit hohem Infektionsrisiko sei es eine gemeinsame Entscheidung von Arzt und Reisendem, ob eine Impfung durchgeführt wird. "Ich bin aber mehr und mehr davon überzeugt, dass der Impfstoff mit dem Vorliegen weiterer Sicherheitsdaten auch eine Empfehlung für Reisende ohne zurückliegende Dengue-Infektion erhalten wird. Benötigt werden zwei Teilimpfungen, idealerweise im Abstand von drei Monaten. "Wenn es gar nicht anders geht, kann man vor der Abreise die erste Impfung durchführen, muss aber dann danach unbedingt die zweite Teilimpfung nachholen." Bei nur einer Teilimpfung könne man von keinem dauerhaften Schutz ausgehen.
Chikungunya-Virus: Anfang Juli hat der österreichisch-französische Impfstoffhersteller Valneva von der EU-Kommission die Zulassung für seine Einmalimpfung gegen das Chikungunya-Virus erhalten. Es wird von denselben Stechmücken übertragen, die auch das Dengue-Fieber verbreiten. "In Österreich wird der Impfstoff aber wahrscheinlich erst Anfang kommenden Jahres verfügbar sein." In Südeuropa gab es bereits einzelne Infektionen, besonders stark waren zuletzt Brasilien und generell Südamerika betroffen. "Die Erkrankung tritt explosionsartig auf, nach ein, zwei Jahren gehen die Fallzahlen dann wieder deutlich zurück." So gab es 2006 auf der französischen Insel La Réunion eine schwere Chikungunya-Epidemie.
Hepatitis A und B: Eine Hepatitis-B-Grundimmunisierung ist in Österreich allgemein empfohlen (und auch im kostenfreien Kinderimpfprogramm enthalten), die Hepatitis-A-Impfung nur bei erhöhtem Risiko wie etwa bei Reisen in Länder mit schlechten Hygienebedingungen. "In Europa mit niedrigem Infektionsrisiko ist keine Hepatitis-B-Auffrischungsimpfung vorgesehen", sagt Hollenstein. "Aber vor Reisen in Länder mit höherem Infektionsrisiko sollte man bei länger zurückliegenden Impfungen zur Sicherheit einen Antikörperbefund für Hepatitis A und B machen lassen."
Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten: Mit und ohne Reisen alle zehn Jahre auffrischen, ab einem Alter von 60 Jahren alle fünf Jahre.
Polio: Nach der Grundimmunisierung im Kindesalter sind in Österreich für Erwachsene nur mehr zwei Auffrischungsimpfungen empfohlen. "Bei Vielreisenden ist es aber durchaus sinnvoll, statt der Dreifach-Auffrischung Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten eine weitere Vierfach-Auffrischung inklusive Polio durchzuführen. Diese Impfung hat praktisch keine Nebenwirkungen."
Tollwut: Zwar ist die Tollwut in Westeuropa ausgerottet, aber in vielen Reiseländern - etwa in Nordafrika - besteht ein zumindest moderates Risiko. Lange Zeit wurden drei Impfungen vor der Abreise verabreicht (Tag 0 - 7 - 21 bzw. 28). "Das kann man nach wie vor so machen. Es reichen aber auch zwei Dosen vor der ersten Reise mit Tollwutrisiko, und dann die dritte Dosis vor der nächsten Reise", sagt Hollenstein. Damit habe man bei zwei Reisen durch die frischen Impfungen hohe Antikörperspiegel und müsse nach einem potenziell gefährlichen Tierkontakt nicht den Impfschutz auffrischen - was man bei einer länger zurückliegenden Grundimmunisierung trotz der drei Teilimpfungen sehr wohl muss.
Japanische Enzephalitis: Diese von Stechmücken übertragene Erkrankung tritt ausschließlich in Asien und Australien auf. "Sie ist bei Reisenden selten", sagt Hollenstein. "Die Impfung wird aber umso wichtiger, je länger und je ländlicher man unterwegs ist." Für einen längerfristigen Schutz sind drei Teilimpfungen notwendig.
Gelbfieber: Laut Weltgesundheitsorganisation WHO ist eine Impfung für einen lebenslangen Schutz ausreichend. "Diese Daten sind aber nicht sehr robust", betont Hollenstein. "Sehr viele Reisemedizinerinnen und Mediziner raten zu einer zweiten Impfung, wenn die erste mehr als zehn Jahre zurückliegt. Auch ich empfehle das. Es handelt sich um einen Lebendimpfstoff, und bei allen anderen Lebendimpfstoffen sind auch zwei Dosen vorgesehen, um einen verlässlichen lebenslangen Schutz zu erreichen." Gelbfieber kommt im tropischen Südamerika sowie in Afrika südlich der Sahara vor. In diesen Regionen ist eine Impfung von mehreren Staaten für eine Einreise vorgeschrieben. Hollenstein: "Trotz der offiziellen WHO-Regelung, dass EINE Impfung lebenslange Gültigkeit hat, akzeptieren manche afrikanischen Länder das noch nicht."
Malaria: 2021 wurde der erste Malaria-Impfstoff von der WHO zugelassen, ein weiterer Impfstoffkandidat wird derzeit noch getestet: "Das sind aber keine Reiseimpfstoffe. Sie werden ausschließlich bei Kindern in Hochriskogebieten eingesetzt", betont Hollenstein. "Welche Art von Malaria-Prophylaxe eingesetzt wird - ob ein Insektenschutz ausreicht oder eine medikamentöse Vorsorge notwendig ist - muss individuell besprochen werden."
Und worauf ist sonst zu achten? "Es gibt so viele Dinge, die viel häufiger vorkommen als Tropenkrankheiten und die man mit einfachen Vorsorgemaßnahmen verhindern könnte", betont Hollenstein: "Der Hauptgrund für Todesfälle auf Reisen sind Unfälle, im Verkehr und im Wasser. Und sexuell übertragbare Krankheiten sind ebenfalls ein viel größeres Risiko. Aber das wird oft vergessen."
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