Schule: Eine Epidemiologin und ein Kinderarzt über die Quarantäne-Regeln
Die Quarantäne-Regeln in Schulen sollen geändert werden, kündigte Martin Netzer, Generalsekretär im Bildungsministerium, im Ö1-Morgenjournal am Dienstag an. Der Plan des Bildungsministeriums, der aber noch mit dem Gesundheitsministerium ausverhandelt werden muss: Nur die unmittelbaren Sitznachbarn müssen in Quarantäne, nach fünf Tagen kann man sich per PCR freitesten. Bisher galt eine Quarantäne für zehn Tage.
"Auch wenn es da kritische Punkte gibt und ich nicht alles nachvollziehen kann, so halte ich es für einen Kompromiss, der einen Versuch wert ist", sagt die Epidemiologin Eva Schernhammer von der MedUni Wien. "Wir wollen ja den Kindern ermöglichen, dass sie in der Schule unterrichtet werden."
Die Verkürzung der Quarantänedauer auf fünf Tage sei gerechtfertigt: "Man sieht bei der deutlich infektiöseren Delta-Variante, dass die Inkubationszeit sich verändert hat und deutlich kürzer geworden ist." Studiendaten zeigten, dass der Zeitraum zwischen der Ansteckung und dem Erkrankungsbeginn von früher fünf bis acht Tagen jetzt auf drei bis fünf Tage abgenommen hat. "Das heißt, es genügt mit hoher Wahrscheinlichkeit, fünf Tage in Quarantäne zu bleiben. Wenn man dann am fünften Tag einen negativen PCR-Test hat, ist das schon ein ziemlich verlässlicher Hinweis, dass man sich tatsächlich nicht angesteckt hat."
Die Regelung, nur die unmittelbaren Sitznachbarn in Quarantäne zu schicken, sei eher eine taktische Lösung: "Da das Virus sehr infektiös ist, kann es sich natürlich in der ganzen Klasse ausbreiten, wenn es einen Infektionsfall gibt. Andererseits ermöglicht man so mehr Schülerinnen und Schülern den Unterricht in der Klasse, und da sie drei Mal in der Woche getestet werden, kann man das wahrscheinlich jetzt fürs Erste schon einmal riskieren - auch auf die Gefahr hinauf, nicht alle Infektionen gleich einzufangen."
Man müsse jetzt einfach beobachten, wie sich diese Kompromisslösung in der Praxis auswirkt: "Wenn trotz der Quarantäne der Sitznachbarn immer wieder zusätzliche neue Fälle auftreten, dann wird man wahrscheinlich schnell umdisponieren müssen."
Überlegenswert sei außerdem, ob die verbliebenen Schülerinnen und Schüler - und auch die Lehrperson - nach einem positiven Fall eine Maske tragen müssen: "Egal, ob geimpft oder nicht geimpft". In einem weiteren Schritt könnte man dann, bei einer höheren Durchimpfungsrate, auch überlegen, bei Quarantänemaßnahmen zwischen Geimpften und Ungeimpften zu unterscheiden. "Geimpfte Kinder muss man wahrscheinlich nicht in Quarantäne schicken, aber weiterhin in den Schulen testen. Aber das sind alles Dinge, die man noch nachschärfen kann. Jetzt geht es einmal um ein organisatorisch einfach zu handhabendes Modell, das doch vielen Familien eine Erleichterung bringt."
Kinderarzt schlägt Veränderungen vor
"Grundsätzlich begrüße ich den Vorschlag sehr, wir müssen in der Schule Kompromisse machen, uns da ein wenig bewegen und können die Strategie nicht darauf auslegen, sofort jedes infizierte Kind zu entdecken, das schaffen wir nicht", sagt Thomas Müller, Leiter der Kinderklinik der MedUni Innsbruck. Deshalb sei auch er für die Verkürzung der Quarantäne auf fünf Tage.
"Die Regelung mit den unmittelbaren Sitznachbarn ist hingegen einerseits aufwendig für die Schule und die Gesundheitsbehörden. Es stellt sich die Fage: Wer ist das dann im konkreten Fall? Nur die Sitznachbarn links und rechts, oder auch vorne und hinten? Und das wechselt ja auch. Gleichzeitig bestehe auch das Risiko der Ausbreitung infektiöser Aerosole über die unmittelbaren Sitznachbarn hinaus."
"Deshalb würde ich den Vorschlag des Bildungsministeriums noch etwas ergänzen", sagt Müller im KURIER-Gespräch: "Ist nur ein Schüler in einer Klasse positiv, sollte man alle Mitschülerinnen und Mitschüler in der Klasse belassen und dafür täglich bis zum Tag 6 in der Schule einen Antigentest bzw. alle 48 Stunden einen PCR-Test durchführen, wenn letzterer logistisch möglich ist." Gleichzeitig sollte es eine generelle Mund-Nasenschutzpflicht bzw. ab der Oberstufe eine FFP2-Maskenpflicht für alle K1-Kontaktpersonen - einschließlich den Geimpften und Genesenen - für zehn Tage ab dem Indexfall geben.
Werde hingegen mehr als ein Schüler positiv, dann sollte es eine Quarantäne nur für alle nicht Geimpften und nicht Genesenen geben - mit einer Freitestung mittels PCR nach fünf Tagen für jene Schüler, die diese fünf Tage in Quarantäne sind.
Asymptomatisch Geimpfte und Genese sollten weiter als K2-Kontaktpersonen in die Schule gehen und nicht in Quarantäne müssen, betont Müller: "Geimpfte sollte man schon ein wenig anders behandeln, das tut man ja außerhalb der Schule auch. Und das wäre möglicherweise auch ein zusätzlicher Anreiz für Eltern und Kinder, sich impfen zu lassen. Das größere Problem ist ja, dass ein Geimpfter eher einen Ungeimpften ansteckt - bei zwei Geimpften ist das Risiko einer Ansteckung viel geringer."
Die Innsbrucker Virologin Dorothee Von Laer hatte sich am Montag skeptisch dazu gezeigt, dass standardmäßig nur die unmittelbaren Sitznachbarn eines infizierten Schülers und nicht gleich die ganze Klasse in Quarantäne geschickt werden. Das hält sie für weniger zielführend, "wenn man wirklich die Infektionen der Klasse gleich im Keim ersticken will", sagte sie Montag im Ö1-Morgenjournal.
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