Psychiater warnen: Immer mehr Kinder mit Ess-Störungen

Magersucht verändert einige Gehirnstrukturen. KI könnte bei der Entwicklung von Therapien helfen.
Kinderpsychiaterin Katrin Skala warnt vor den psychischen Folgen der Krise, unter denen die Jugend besonders zu leiden habe.

Die Kinderpsychiaterin Katrin Skala von der Uni Wien schlägt Alarm: „Die Perspektivlosigkeit bei den Kindern und Jugendlichen ist enorm. Und sie zeigt sich je nach Alter in unterschiedlichen Symptomen.“    

Darauf hingewiesen hat sie bei einer „Hangar 7“- Diskussion auf Servus TV – und erzählt aus der Praxis: Häufig erhalte sie zum Beispiel Anrufe von Eltern von Jugendlichen, die sagen: „Ich bekomme mein Kind schon seit Wochen nicht mehr aus dem Bett. Es ist völlig antriebslos.“

Bei den jüngeren Kindern habe es die Politik geschafft, ihnen Angst einzujagen: „Viele haben bizarre Ängste, dass das Virus sie von der Wand anspringt und infiziert. Sie fürchten sich weniger davor, sich anzustecken als davor, dass sie jemanden anderen anstecken.“

Angststörung

Nicht selten komme es in Folge zu richtiggehenden Angststörungen: „Die Kinder wollen nicht mehr aus dem Haus, weil sie fürchten, dass sie jemanden anstecken könnten. Je jünger die Kinder sind, desto größer ist die Angst.“

Die Folgen sehen Psychologen und Psychiater in ihrer Praxis: „Wir verzeichnen massiv mehr Essstörungen als vor der Pandemie.“ Vor allem Magersucht sei ein Problem, wie Skala erläutert. „Im ersten Lockdown haben sich viele junge Menschen massiv bewegt, auch um sich für den Teamsport fit zu halten, den sie machen. Und das ist ihnen dann entglitten, weil kein Korrektiv mehr gab.“

In der Kinder-  und Jugendpsychiatrie seien weitaus mehr Kinder mit Untergewicht als mit Fettsucht. „Zum Glück haben wir noch keinen Jugendlichen wegen Untergewicht verloren, wir waren aber manchmal schon knapp dran.“

Selbstverletzungen

Die Kinder-und Jugendpsychotherapeutin mit Kassenpraxis in St.Pölten, Margit Schmid, kann das nur bestätigen: „Wir erleben junge Menschen mit Soziophobien, Selbstverletzungen, und Suizidgedanken, viele leiden unter Depressionen, Überforderung und Schlafstörungen.“

Die Kliniken seien jedoch so überfüllt, dass die Kinder wieder heimgeschickt werden, oder welche, die aufgenommen worden sind frühzeitig entlassen werden, weil so viele neue PatientInnen einen Platz benötigen.

Vielen jungen Menschen, ging es bereits vor der Pandemie nicht gut, stellt Schmied fest: Probleme im Elternhaus, Trennungen, Scheidungen, Patchworkfamilien, Überforderung und immer höhere Anforderungen in den Ausbildungen, Mobbing von LehrerInnen und Mitschülerinnen oder Mitschülern, Schikanen am Arbeitsmarkt sind die Themen, die unsere jungen Menschen unsere Zukunft kaputt machen.

Warum nicht die Büros?

Was der Psychiaterin Katrin Skala sauer aufstößt: „Warum können wir Büros offenhalten, aber keine Schulen?“  Und: „Kinder sind mit Abstand am wenigsten von Corona betroffen, was die Krankheitsverläufe betrifft. Sie werden aber mit Abstand am meisten in ihren Freiheiten beschnitten. Warum? Weil es leicht ist. Dabei ist es unsere Entscheidung als Gesellschaft  - und die Frage, wie viel uns die Kinder wert sind.“

Dabei hätten die Kinder das Recht, dass ihr Wohl im Vordergrund steht – das sei seit zehn Jahren sogar verfassungsrechtlich verankert. „Ich habe aber den Eindruck, dass das Kindeswohl derzeit eher nachrangig ist.“

Dass Kinder so schützenswert sind, habe auch mit der Tatsache zu tun, dass ihr Gehirn sich noch im Entwicklungsstadium befindet: „Alles, was ich als Kind an Neuronen oder Vernetzungsstrukturen im Rahmen der Gehirnentwicklung nicht verwende, wird zurückgebaut. Was ich verwende, wird konsolidiert und bleibt fix.“  

Manches sei da irreversibel: „Derzeit konsultieren die Kinder Gehirnstrukturen für ,ich sitze mit Chipspackerl am Sofa, zocke die ganze Nacht, gehe nicht raus. Wir sind in einem riesengroßen Sozialexperiment – und niemand weiß, wie das ausgeht.“

Wien: Psychotherapeutische Ambulanz, 01/710 57 64

Burgenland: Institut für Psychotherapie im ländlichen Raum, 02682/24 690

Niederösterreich: Krisenhilfe Niederösterreich, 0800/20 20 16

Oberösterreich: Krisenhilfe Oberösterreich, 0732/2177

Salzburg: Ambulante Krisenintervention der Pro Mente Salzburg, 0662/433 351

Steiermark: Kriseninterventionsteam Steiermark, 0800/500 154

Tirol: Hotline des Psychosozialen Krisendienstes, 0800/400 120

Kärnten: Psychiatrischer Not- und Krisendienst für Kärnten, 0664/300 70 07

Vorarlberg: Sozialpsychiatrischer Dienst Bregenz, 050/411 690

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