Pflege: Patienten können nicht mehr vollständig versorgt werden

Pflege: Patienten können nicht mehr vollständig versorgt werden
84 Prozent des Pflegepersonals müssen notwendige Tätigkeiten im Krankenhaus weglassen. Das hat Auswirkungen auf Patienten und Betreuer.

Rund 7.800 Krankenpflegerinnen und -pfleger fehlen in Österreich. Das sind um 40 Prozent (3.000 Personen) mehr als noch im Vorjahr. Zwar hat Österreich im Europavergleich eine hohe Zahl an Krankenhausbetten, demgegenüber steht aber eine geringe Anzahl von Pflegepersonen pro Bett. Im Schnitt betreut eine Pflegeperson 15 Patienten im Tagdienst und 22 im Nachtdienst. Zum Vergleich: In den USA dürfen per Gesetz auf eine Pflegeperson nicht mehr als fünf bis sechs Patienten auf Allgemeinstationen im Krankenhaus kommen.

Dieser Mangel an Pflegepersonal schlägt sich auf die Qualität der Arbeit nieder: Laut der aktuellen Studie "Misscare-Austria" der Karl Landsteiner Privatuniversität gaben 84 Prozent an, dass sie oder ihr Team in den vergangenen zwei Wochen mindestens eine für die Patientenversorgung notwendige Tätigkeit im Krankenhaus weglassen mussten. Befragt wurden rund 1.000 Pflegerinnen und Pfleger auf Allgemeinstationen von Mai 2021 bis Juli 2022.

Gespräch bleibt auf der Strecke

Betroffen sind vor allem Pflegetätigkeiten, wie emotionale Unterstützung (68%), Gesprächsführung mit Patienten und Angehörigen (61%), Überwachung von kognitiv beeinträchtigen Patienten (48%) sowie Beratung und Schulung zur Entlassung (48%). Jeder zweite Befragte gab zudem an, dass das Mobilisieren der Patienten, um Wundliegen zu verhindern, auf der Strecke bleibt.

Aber auch das zeitnahe Reagieren auf die Glocke (39%), das zeitgerechte Verabreichen von Medikamenten (28%) oder das Messen von Vitalparametern (27%) können nicht immer erfolgen.

Folgen für Patientensicherheit

"Die Gründe dafür liegen im Personalmangel und an Zeitnot im Krankenhaus sowie an der Schwierigkeit der Zusammenarbeit in multidisziplinären Teams. Am Ende eines Dienstes ist oft die Zeit ausgeschöpft und die Patientenbedürfnisse bleiben übrig. Das kann gravierende Folgen für die Patientensicherheit haben“, sagte Studienautorin Ana Cartaxo bei einer Pressekonferenz am Mittwoch.

Nur vier Prozent der Befragten gaben an, dass in den vergangenen drei Monaten auf ihrer Station immer ausreichend Personal verfügbar war. Bei jedem Zweiten war die Personalbesetzung selten angemessen. Bei 17 Prozent des befragten Pflegepersonals war nie angemessen Personal verfügbar.

Drei von vier wollen Beruf verlassen

Die Belastung des Pflegepersonals führt dazu, dass in den vergangenen Jahren Fluktuation und Berufsaussteiger zugenommen haben. Das Pflegepersonal ist unzufrieden - in der aktuellen Studie gaben drei von vier Befragten an, dass sie daran denken, den Pflegeberuf zu verlassen. "Man muss Arbeitsbedingungen bieten, wo Pflegepersonen ihre Kerntätigkeiten ausüben können und im Beruf bleiben können. Viele können ihrem Berufsethos nicht mehr entsprechen", betonte Hanna Mayer, Leiterin des Fachbereichs Pflegewissenschaft an der Karl Landsteiner Universität.

Für viele junge Menschen sei das Arbeitszeitmodell mit Zwölfstundendiensten und Nachtdiensten zudem nicht attraktiv, ergänzte Elisabeth Potzmann, Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbands (ÖGKV). Allein mit mehr Arbeitskräften mit der neu aufgestellten Ausbildung der Pflegelehre oder der Pflegeassistenz würde das Problem jedoch nicht gelöst. Aufgrund der immer komplizierteren Behandlungsmethoden sei mehr gehobenes Personal gefragt. Die Ausbildungsoffensive sei gut und richtig, Potzmann steht der Pflegelehre aber kritisch gegenüber.

Ein weiterer möglicher Weg sei es, die Krankenhausbetten in Österreich zu reduzieren, was aber nur dann Sinn macht, wenn es genügend Alternativen, etwa in der Primär- und Nachversorgung, gebe. Dies brauche aber eine umfassende Reform des Gesundheitssystems.

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