Abnehmspritze: Jeder Vierte hätte sie gerne ohne Rezept
Die Abnehmmedikamente, die eigentlich für die Behandlung von Adipositas zugelassen sind, werden zunehmend von Menschen mit leichtem Übergewicht nachgefragt. Das führt immer wieder zu Engpässen. Die mangelnde Verfügbarkeit sowie die hohen Kosten von bis zu rund 500 Euro pro Monat sorgen dafür, dass manche Menschen die Arztpraxis meiden und sich an potenziell unzuverlässige Quellen wie nicht lizenzierte Online-Apotheken oder andere Angebote im Internet wenden. Eine aktuelle Erhebung des Wexner Medical Centers an der Ohio State University zeigt, dass jeder vierte Erwachsene bereit wäre, die Medikamente ohne Rezept, das heißt auch ohne ärztliche Begleitung, zu nutzen.
Als Grund dafür gaben die meisten niedrigere Kosten (18 Prozent) an. Zweithäufigster Grund war, dass die Befragten keine Krankenversicherung haben (15 Prozent) – diese ist in den USA privat zu bezahlen. In Österreich ist dies zwar nicht der Fall – die Kosten für Arztbesuche werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen, die Abnehmmedikamente selbst müssen aber privat gezahlt werden.
Nicht ohne ärztliche Begleitung
Weitere Gründe: Die Befragten können von ihrem Arzt kein Rezept für die Abnehmmedikamente bekommen (9 Prozent), etwa weil sie die Kriterien für Fettleibigkeit nicht erfüllen, sowie eine mangelnde Verfügbarkeit der Mittel in der Apotheke (6 Prozent). Insgesamt wurden rund 1.000 Erwachsene befragt.
Für die Autoren der Erhebung sind die Ergebnisse alarmierend. "Für diejenigen, die abnehmen möchten, ist es wirklich wichtig, die Optionen zunächst mit ihrem Arzt zu besprechen. Es gibt keine Einheitslösung und jedes Medikament kann Risiken und Nebenwirkungen haben. Ein vertrauenswürdiger Arzt kann die Krankengeschichte und die aktuellen Medikamente eines Patienten durchgehen, um dessen besondere Risiken und Vorteile einzuschätzen", wird Internist Shengyi Mao von der Ohio State University in einer Aussendung zitiert.
Lottie Moss musste ins Krankenhaus, weil sie Ozempic überdosierte
Dass die eigenständige Verabreichung der Abnehmmedikamente ohne ärztliche Begleitung problematisch sein kann, zeigt aktuell das Beispiel von Lottie Moss. Die Schwester von Topmodel Kate Moss wollte mithilfe des Medikaments Ozempic ein paar Kilos verlieren – sie wog zu dem Zeitpunkt 60 Kilogramm, war aber "mit meinem Gewicht unzufrieden", wie sie in einem Instagram-Posting berichtet. Die 26-jährige spricht davon, dass eine Freundin ihr das Medikament, das eigentlich zur Diabetesbehandlung zugelassen ist, beschaffte. „Das war die schlechteste Entscheidung in meinem Leben. Das ist eine Warnung. Wenn ihr darüber nachdenkt, es zu nehmen, bitte macht es nicht“, sagt Moss in einem Video.
Wirkweise
Die in den Abnehmmedikamenten enthaltenen Wirkstoffe regulieren den Appetit, indem sie ein Darmhormon nachahmen. Die sogenannten GLP-1-Rezeptoragonisten erhöhen das Sättigungsgefühl, man isst weniger und nimmt ab. Dazu müssen sie je nach Präparat einmal wöchentlich oder täglich gespritzt werden. Derzeit wird auch an einer Verabreichung mittels Tablette geforscht.
Abnehmmittel
In Österreich werden vor allem zwei der neuen Abnehmmedikamente eingesetzt: Saxenda mit dem Wirkstoff Liraglutid des dänischen Herstellers Novo Nordisk und seit Juni Mounjaro (auch Zepbound) mit dem Wirkstoff Tirzepatid vom Hersteller Eli Lilly. Letzteres ahmt neben GLP-1 mit GIP auch ein weiteres Darmhormon nach und gilt als noch potenter.
Namenskunde
Bekannt sind zudem die Medikamente Ozempic und Wegovy von Novo Nordisk. Das Abnehmmittel Wegovy ist in Österreich nicht erhältlich. Ozempic enthält wie Wegovy den Wirkstoff Semaglutid, ist jedoch nur zur Behandlung von Diabetes zugelassen.
Sie spritzte sich das Mittel in Eigenregie und verlor innerhalb von zwei Wochen sieben Kilogramm. Sie litt unter Übelkeit, Erbrechen sowie Krampfanfällen im Gesicht und an den Händen. Zudem verkraftete ihr Körper den raschen Gewichtsverlust nicht – sie dehydrierte und musste in die Notaufnahme eines Londoner Spitals eingeliefert werden.
FDA warnte vor Überdosierungen
Das Model hatte sich unwissentlich eine Dosierung für eine 100 Kilogramm schwere Person gespritzt. "Ich würde lieber sterben, als es noch einmal zu nehmen", zeigt sie sich geläutert. Dass sie nicht die einzige ist, die ohne Abklärung mit einem Arzt zu Abnehmmedikamenten greift, zeigen zwei Warnungen, die die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA herausgab. Darin wird etwa auf Dosierungsfehler, die zu Krankenhausaufenthalten führten, hingewiesen. Zudem warnten sie vor gefälschten Arzneimitteln, die auch in Österreich aufgetaucht waren.
"Fettleibigkeit ist eine schwere und komplexe chronische Krankheit und sollte nicht mit einem einheitlichen Ansatz behandelt werden. Deshalb ist ein umfassendes Programm zur Gewichtskontrolle oft die beste Wahl, denn das Abnehmen und Halten des Gewichts erfordert eine Änderung des Lebensstils und lebenslanges Engagement“, sagte Mao. „Diese Medikamente zur Gewichtsreduktion können bei manchen Menschen wirksam sein, sie können jedoch schwerwiegende Nebenwirkungen haben und das Gewicht kann zurückkommen, wenn sie die Einnahme abbrechen."
Kommentare