Kaiserschnittrate beinahe verdoppelt
Hintergrund ist die weltweit steigende Kaiserschnittrate: Nach Schätzungen einer Lancet-Studie, die auf den Lebendgeburten in 169 Ländern beruht, ist diese zwischen den Jahren 2000 und 2015 von 12,1 auf 21,1 Prozent gestiegen.
Eine Entwicklung, die von Experten der Geburtshilfe immer wieder kritisch hinterfragt wird. So zeigen Studien, dass Kinder, die mittels Kaiserschnitt geboren wurden, bis zum Alter von zwölf Jahren ein erhöhtes Risiko für Asthma und bis zum Alter von fünf Jahren ein geringfügig erhöhtes Risiko für Übergewicht haben können. Weiters gibt es Hinweise, dass der fehlende Kontakt des Kindes mit der mütterlichen Scheidenflora einen negativen Einfluss auf das kindliche Immunsystem haben kann.
Auch hierzulande ist die Zahl an Kaiserschnitten in den vergangenen Jahren gestiegen: Im Jahr 2018 wurden in Österreich 84.804 Kinder geboren. Der Anteil an Kaiserschnitten lag bei knapp 30 Prozent. Das bedeutet: Rund jede dritte Frau entbindet per Kaiserschnitt, im Jahr 2001 war es noch jede fünfte. Ein Umstand, den Peter Husslein, Vorstand der Klinik für Frauenheilkunde der MedUni Wien/AKH Wien, auch darauf zurückführt, dass Frauen heute weniger Kinder, diese aber später bekommen und dafür auch ein höheres Risikobewusstsein haben.
In Europa weist Zypern mit 52,2 Prozent die höchste Kaiserschnittrate auf, gefolgt von Italien mit 38 Prozent. Niedrige Raten verzeichnen Island (14,8 Prozent), Finnland (16,8 Prozent), Norwegen (17,1 Prozent) und Dänemark (22,1 Prozent).
Dünne Datenlage
Laut WHO senkt ein Anteil von Kaiserschnitten von bis zu zehn Prozent insgesamt die Sterblichkeit von Müttern und Kindern. Darüber hinaus sieht die Organisation keinen positiven Einfluss mehr auf mütterliche und kindliche Mortalität.
Einen Grenzwert, ab wann die Kaiserschnittrate zu hoch ist, will die neue Leitlinie aufgrund fehlender Daten nicht vorgeben. In der Einleitung heißt es von der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) jedoch, dass es als gesichert gelten dürfte, dass eine Sectiorate über 15 Prozent weder für Mutter noch für Kind einen größeren Gesundheitsgewinn bringe. Deswegen sollten Kaiserschnitte medizinisch gut begründet sein. Als unstrittige Indikatoren gelten ein quer liegendes Baby, ein drohendes Reißen der Gebärmutter, eine falsche Position des Mutterkuchens oder seine vorzeitige Ablösung. Schätzungen zufolge würden sich zehn Prozent der Frauen in Deutschland – wo die Kaiserschnittrate ebenfalls bei 30 Prozent liegt – ohne triftigen Grund eine Sectio wünschen.
Diskurs auf Augenhöhe
Eine Beurteilung, mit der man vorsichtig sein sollte, wie Husslein zu bedenken gibt. Die Übergänge zwischen einer harten medizinischen Indikation und dem Wunsch der Frau für einen Kaiserschnitt seien fließend. Wichtig sei, den Diskurs mit Schwangeren immer auf Augenhöhe zu führen. „Ärzte müssen akzeptieren, dass es nicht sie allein sind, die festlegen, was für eine Patientin gut ist.“ Die Fixierung auf eine „niedrige Kaiserschnittfrequenz“ hält Husslein für einen „Fehler“. Unter anderem, weil ein Großteil der Gerichtsverfahren aufgrund eines nicht oder zu spät durchgeführten Kaiserschnittes geführt werden würden. Auch hätten Spitäler durch Kaiserschnitt-Geburten keinen ökonomischen Vorteil. Die Abrechnungen seien zu intransparent, um eine solche Behauptung aufstellen zu können.
Kommentare