Wie gefährlich ist Lambda? Sorge wegen neuer Corona-Mutation
Bei der Benamsung der verschiedenen Mutationen ist man im griechischen Alphabet inzwischen beim Buchstaben Lambda angelangt. Die Lambda-Variante macht sich in Südamerika breit – japanische Forscher warnen jetzt davor, dass Lambda "eine potenzielle Bedrohung für die menschliche Gesellschaft" darstellen könnte.
Ihren Appell knüpfen die Wissenschafter an eine Laborstudie, die vor wenigen Tagen als Preprint (nicht extern wissenschaftlich begutachtet) veröffentlicht wurde. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Lambda ansteckender als der SARS-CoV-2-Urtyp sein könnte.
Ausschlaggebend für die erhöhte Infektiosität dürften drei Mutationen im Spike-Protein der Lambda-Virusvariante sein. Potenzielles Problem: Weil bestehende Corona-Impfungen sich die Funktion des Spike-Proteins – jenes Eiweiß, mit dessen Hilfe das Virus menschliche Zelle kapern kann – zunutze machen, könnte auch der Impf-Schutz gegen Lambda weniger wirksam sein.
WHO: Lambda breitet sich nicht so stark aus
Die Lambda-Variante breitet sich aber derzeit nach Angaben der WHO nicht besonders stark aus. Die Mutationen im Spike-Protein seien aber „besorgniserregend“. Aus Peru heißt es, die Lamda-Variante werde dort momentan von der Gamma-Variante verdrängt.
"Die Lambda-Variante scheint tatsächlich infektiöser zu sein und die Immunität, die durch die Impfung entsteht, wird wohl nicht so patent schützen wie gegen die anderen Varianten", fasst es Virologe Christoph Steininger von der MedUni Wien zusammen.
Lambda nimmt Zellen rasch in Beschlag
Eine andere kleine Studie der New York University, die ebenfalls noch von der wissenschaftlichen Gemeinschaft überprüft werden muss, legt nahe, dass eine spezifische Mutation im Lambda-Spike-Protein dafür sorgt, dass es Zellen rascher infiziert. Lambda könnte demnach leichter an den "ACE2-Rezeptor" auf der Zelloberfläche binden. Allerdings: Die Forschenden kamen auch zu dem Ergebnis, dass die derzeit verfügbaren Impfstoffe weiterhin gegen die Lambda-Variante schützen, heißt es in der Studie.
Die erste Ansteckung mit der Lambda-Variante wurde laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im August 2020 in Peru dokumentiert. Inzwischen ist Lambda für rund 90 Prozent aller Neuansteckungen dort verantwortlich. Und: Die Variante wurde inzwischen in mehr als 20 Ländern rund um den Globus entdeckt, vereinzelt auch in Großbritannien, Spanien und Italien, berichten unter anderem das deutsche Handelsblatt und der Spiegel.
Bei der neuen Untersuchung handelt es sich Steininger zufolge um eine Laborstudie: "Man hat Immunseren (aus dem Blutserum immunisierter Menschen gewonnener Antikörper, Anm.) eingesetzt, um herauszufinden, wie gut die Antikörper die neue Mutation des Virus inaktivieren können." Dabei habe sich gezeigt, dass das Virus deutlich schlechter unschädlich gemacht wird als bei ursprünglichen Varianten.
Genesene wömoglich weniger immun
Nicht nur der Impfschutz, der aktuell durch die millionenfache Verimpfung verfügbarer Impfstoffe aufgebaut wird, könnte dadurch bedroht sein, sagt Steininger: "Auch Genesene könnten nicht so gut gegen die Lambda-Variante geschützt sein, weil sie mit früheren Varianten infiziert wurden und auch Antikörper gegen diese Varianten gebildet haben, die nun nicht mehr so effizient schützen könnten."
Das Auftauchen von Corona-Varianten, die Impfungen umgehen können, ist eine der größten Sorgen von Expertinnen und Experten. Je länger und breiter SARS-CoV-2 die Bevölkerung durchseucht, desto größer wird das Zeitfenster für die Entstehung neuer, potenziell gefährlicher Varianten. Die US-Seuchenkontrollbehörde CDC warnte vergangene Woche explizit vor Mutanten: Bis dato würden die Impfstoffe "sehr gut funktionieren" und uns "vor schweren Krankheitsverläufen und dem Tod" schützen. Die große Gefahr sei, "dass die nächste Variante unsere Impfungen umgehen könnte. Möglicherweise ist sie nur ein paar Mutationen entfernt". Eine hohe Durchimpfungsrate ist deswegen unabdingbar: Dann hat das Virus gar nicht die Gelegenheit, sich zu viel zu verändern.
"Deshalb bin ich der Überzeugung, dass die Corona-Impfung absolut sinnvoll ist", betont Steininger. "Sie schafft eine Vorimmunität gegen SARS-CoV-2, was zur Folge hat, dass der Körper und das Immunsystem rascher auf den Erreger reagieren und die viralen Eindringlinge bekämpfen kann. Das kann wiederum die Ausbreitung des Virus im Organismus eindämmen und so schwere Verläufe verhindern."
Unter Beobachtung
Die europäische Seuchenkontrollbehörde ECDC (wie auch die WHO seit Juni) listet die Lambda-Variante aktuell nicht als Variant of Concern – wie etwa die Delta-Mutation –, sondern als Variant of Interest. Bei Variants of Concern (besorgniserregende Varianten) gibt es eindeutige Hinweise darauf, dass sich die Mutation auf die Übertragbarkeit, den Schweregrad der Erkrankung und/oder die Immunität auswirkt. Man geht davon aus, dass dies Folgen für die epidemiologische Situation haben kann. Bei Variants of Interest (Varianten, die beobachtet werden sollten) gibt es diese Anzeichen ebenfalls. Die Nachweise sind jedoch noch vorläufig oder mit großer Unsicherheit behaftet.
Die Forschergruppe der aktuellen Pre-Print-Studie aus Japan ruft dazu auf, Lambda als besorgniserregende Mutante zu listen. Lambda besitze die Merkmale für diese Einstufung: eine erhöhte virale Infektiosität und eine Resistenz gegen antivirale Immunität. So würde erkennbarer, dass die Variante eine Gefahr darstelle. Steininger: "Diese neue Publikation weist tatsächlich darauf hin, dass die Lambda-Variante eher als Variant of Concern geführt werden sollte." Es sei denkbar, "dass es hier bald zu einer Anpassung kommt".
Gefahr für Österreich?
Wann die Lambda-Variante in unseren Breiten grassieren wird, ist laut Steiniger derzeit kaum zu prognostizieren: "Damit eine Virus-Variante eine andere – im konkreten Fall die Delta-Variante – verdrängt, muss sie einen evolutionären Vorteil besitzen und eben ansteckender sein." Es sei nicht in Stein gemeißelt, dass Lambda übernimmt. "Auch ohne die Lambda-Mutation haben wir momentan ohnehin genug Sorgen mit der ansteckenden Delta-Variante."
In Österreich führt die AGES laufend Sequenzierung von SARS-CoV-2-Viren durch. Dieses Überwachungssystem soll neu auftretende Mutationen rechtzeitig entdecken, es wird auch ein Überblick über die derzeit in Österreich auftretenden Mutationen beziehungsweise Varianten gewonnen. Laut Steininger werde dieses System gegeben falls auch bei Lambda anschlagen.
Tödlichkeit nicht abschätzbar
Wie stark sich die Lambda-Mutation auf das epidemiologische und klinische Geschehen in den Spitälern auswirken wird, ist laut Steininger derzeit noch nicht abschätzbar.
In einer Anfang Juli von Public Health England veröffentlichten Risikobewertung heißt es, dass es zwar Anzeichen für eine globale Ausbreitung von Lambda gebe. Es seien aber noch nicht genügend Informationen verfügbar, um einschätzen zu können, ob eine Infektion das Risiko einer schweren Erkrankung oder für Todesfälle erhöht. Als wichtige Kennzahl für letzteres gilt die Case Fatality Rate (CFR). Sie gibt an, wie viele Corona-Infizierte sterben. Solche Informationen können aber immer erst zeitverzögert durch epidemiologische Daten gewonnen werden. Allein auf Basis der CFR lässt sich auch nicht beurteilen, ob eine Mutation wirklich gefährlicher ist. Impffortschritt, Spitalsauslastung und neue Therapiemöglichkeiten machen es schwierig, verschiedene Varianten miteinander zu vergleichen.
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