Mutter-Kind-Pass: Ausweitung bis 18 Jahre wird diskutiert

Elternhände mit Kinderhänden und Mutter-Kind-Pass
Vor 50 Jahren wurde der Mutter-Kind-Pass eingeführt - seither haben sich die Anforderungen geändert. Jetzt sollte nachgeschärft werden, so Experten.

Die Einführung des Mutter-Kind-Passes im Jahr 1974 ist zweifelsohne ein "medizinhistorischer Meilenstein", wie es Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) anlässlich des 50-jährigen Jubiläums dieses Vorsorgeprogramms bezeichnet. Ausruhen dürfe man sich auf diesem Erfolg allerdings nicht, ein Ausbau ist eine der wesentlichen Wünsche und Forderungen von Gynäkologen, Kinder- und Jugendfachärzten sowie Allgemeinmedizinern für die Zukunft.

Derzeit endet der Mutter-Kind-Pass mit dem 5. Lebensjahr eines Kindes. "In der Zeit zwischen 5 und 18 Jahren klafft eine Versorgungslücke. In diesen Jahren passiert aber sehr viel", betont Kinderfacharzt Bernhard Jochum. Da geht es nicht nur um die Veränderungen durch die Pubertät. 

Regelmäßige Untersuchungen verhindern spätere Schäden

Durch regelmäßige Untersuchungen können etwa orthopädische Probleme wie Wirbelsäulenfehlstellungen (Skoliose) oder Gehfehler früh erkannt und behandelt werden. "Diese Veränderungen entstehen nicht bis zum 5. Lebensjahr, sondern erst später." Allgemeinmediziner und Schularzt Edgar Wutscher ergänzt: "Auch bei Fehlsichtigkeiten kann mit einfachen, kurzen Untersuchungen schon früh gegengesteuert werden."

Neue Anforderungen an Kinderärzte

Dazu kommen neue Anforderungen an die Kinderheilkunde, die bisher nicht im Mutter-Kind-Pass berücksichtigt sind. Jochum nennt hier vor allem das "zunehmende Problem" von Übergewicht und Adipositas im Kinder- und Jugendalter. "Hier wären Ernährungsberatungen wünschenswert." Psychosoziale Verhaltensauffälligkeiten, etwa Mobbing,  sind ebenfalls ein Thema, mit dem Ärzte in der Praxis häufiger konfrontiert seien. Und nicht zuletzt: "Wir haben immer öfter mit den Folgen der rasanten Digitalisierung zu tun. Nicht alle Kinder verkraften sie gleich gut."  

Der moderne Informationsfluss stellt aber auch Eltern vor neue Herausforderungen. Eine Ausweitung des Mutter-Kind-Passes würde da Unterstützung bieten. "Es gibt so viele Informationen im Internet, die Eltern auch verunsichern können", sagt Jochum. "Viele geschürte Ängste und Fragen können wir im Arztgespräch sehr oft relativieren", weiß er. Die Untersuchungen könnten zudem mit der Überprüfung des Impfstatus kombiniert werden. Jochum und auch Wutscher bemerken hier zunehmend Bedarf. "Wir müssen heute Eltern erklären, warum manche Schutzimpfungen wichtig sind", sagt Wutscher. 

Zukunft durch Augenmaß sichern

Obwohl die Experten eine Reihe weiterer Untersuchungen für sinnvoll halten, bleiben sie auch realistisch. Kinderarzt Jochum beklagt, dass zu wenig junge Kinder- und Jugendfachärzte nachkommen, um zusätzliche Untersuchungen in den Praxen durchzuführen. Gynäkologe Thomas Fiedler, Vorsitzender der ÖAK-Expertenkommission Mutter-Kind-Pass, betont den "regen Austausch" zwischen Wissenschaft, Sozialversicherungen und Gesundheitsministerium. "Die Zukunft dieses einzigartigen Vorsorgeinstruments muss auch für die Zukunft abgesichert werden. Das kann aber nur im Rahmen der bestehenden Kapazitäten und der Finanzierbarkeit erfolgen. Das betreffe unter anderem zusätzliche Untersuchungen im Rahmen der Schwangerschaft wie dem Organ-Screening.

Dass 2023 die finanziellen Mittel von der Politik um 17 Millionen Euro erhöht wurden, ist erfreulich "und zeigt die auch zukünftig hohe Bedeutung", sagt Steinhart. Ein großer Teil fließt momentan in die Digitalisierung. "Sie spielt eine zunehmend wichtige Rolle." Bis 2026 soll dieser Prozess abgeschlossen sein. Der Nutzen: Alle Beteiligten sollen dann Zugriff auf die Daten und Untersuchungsergebnisse, etwa im Verlauf der Schwangerschaft bis zur Geburtsklinik, haben.

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