Mikrobiom: Welche erstaunlichen Effekte der Darm auf die Psyche hat
Wenn sich in unserem Darm die falschen Bakterien tummeln, ist das nicht nur physisch schmerzhaft. Es kann auch für die Psyche zum Problem werden. Die Wissenschaft entdeckt immer stärkere Verstrickungen zwischen Darm und Gehirn.
So lässt sich Angst etwa über Stuhlbakterien übertragen. Bernhard Angermayr, Leiter von Ärzte im Zentrum in St. Pölten, erzählt von einem Experiment an Mäusen, bei dem einer Mäusegruppe das Mikrobiom eines psychisch gesunden Menschen transplantiert wurde und einer anderen das eines Angstpatienten.
Um an Futter zu gelangen, mussten die Versuchstiere später von einem Podest springen. Für die angstfreien Mäuse kein Problem. Die Mäuse mit den Angstbakterien blieben jedoch auf dem Podest sitzen. Erst nachdem die "Angstmäuse“ wieder ihr ursprüngliches Mikrobiom erhielten, sprangen sie vom Podest. Dieser Versuch lässt sich auch auf den Menschen übertragen: Über die Transplantation eines gesunden Mikrobioms, könnte man künftig Angstpatienten behandeln.
Bakterien machen dick
Am Menschen gibt es bereits weitreichende Studien bei denen das Mikrobiom transplantiert wird. So haben Forscher sogenannte "Super Spender“ ausfindig gemacht. Ihr Mikrobiom hat vielen Patienten besonders gut geholfen. Man weiß allerdings noch nicht, warum das so ist. Es treten aber auch unerwünschte Nebenwirkungen in Studien auf – etwa, wenn Patienten nach einer Mikrobiom-Transplantation zunehmen. "Diesbezüglich fehlen uns noch ein paar Daten, bis wir die Wirkungsweise konkret vorhersagen können“, erklärt der Internist und Gastroenterologe Angermayr.
Das Mikrobiom scheint mit seinen Billionen an Mikroorganismen ein unüberschaubares Wesen zu sein, dessen Rätsel erst nach und nach entschlüsselt werden. Je mehr die Wissenschaft darüber herausfindet, desto bessere Therapien werden entwickelt. Für Adipositas-Patienten könnte eine Stuhltransplantation eines Tages eine einfache und schnelle Hilfe sein (siehe auch rechts).
Mikrobiom
Der Begriff Mikrobiom wurde 2001 von Joshua Lederberg aufgebracht
Ökosystem Mensch
Ohne die Billionen von Mikroben, mit denen wir unseren Körper teilen, wären wir Krankheiten und Allergien hilflos ausgeliefert
Antibiotika
Der Gebrauch von Antibiotika dient der Zerstörung von Bakterien. Dabei unterscheiden die Medikamente nicht zwischen guten und schlechten Bakterien. Nach der Einnahme von Antibiotika muss sich das Mikrobiom wieder aufbauen
Nahrung
Wer seinem Mikrobiom etwas Gutes tun will, sollte regelmäßig Ballaststoffe bzw. Hülsenfrüchte wie Bohnen oder Linsen essen. Je öfter man diese Lebensmittel konsumiert, desto leichter fällt dem Darm die Verdauung
Selbst Zu- und Abneigung wird von den Bakterien im Darm beeinflusst, wie ein anderes Experiment an Klon-Mäusen gezeigt hat. Sobald man das Mikrobiom der zuvor identen Tiere änderte, konnten die friedfertigen Mäuse einander nicht mehr leiden und wurden aggressiv. Erst nachdem das ursprüngliche Mikrobiom wiederhergestellt war, kehrte die Harmonie zurück.
Für den Einfluss des Mikrobioms auf unsere Psyche sind unter anderem Gase verantwortlich, die es produziert und die ins Blut gelangen. Manche davon wandern weiter ins Gehirn, wo sie Denkprozesse verändern und die Psyche beeinflussen. Genauso kann aber auch das Gehirn das Mikrobiom verändern: "Es ist ein Teufelskreis.“
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