Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter der Universität von Leeds haben die Daten von mehr als 400.000 Personen analysiert, die im "UK Biobank project" gespeichert sind. Diese Daten wurden zwischen 2006 und 2010 gesammelt, bei der Ernährungsform wurden vier Gruppen unterschieden: Regelmäßige Fleischesser (Fleischkonsum fünf Mal oder öfter pro Woche), gelegentlicher Fleischkonsum (weniger als fünf Mal die Woche), kein Fleisch-, aber Fischkonsum und letztlich Vegetarier, die keine Nahrungsmittel konsumieren, die von getöteten Tieren stammen (Fleisch und Fisch), aber Lebensmittel von lebenden Tieren (Milchprodukte, Eier, Honig).
Generell war das Gesamtrisiko für eine Hüftfraktur gering: Unter den 413.914 Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern gab es im Beobachtungszeitraum 3.503 Fälle von Hüftbrüchen - betroffen waren damit weniger als ein Prozent (exakt: 0,8 Prozent) der Probandinnen und Probanden.
Im Detail kamen die Studienautoren - die Arbeit ist im Fachjournal BMC Medicine erschienen - zu folgenden Ergebnissen:
- Sowohl bei Frauen als auch bei Männern war das Risiko um 50 Prozent erhöht im Vergleich zu regelmäßigen Fleischessern. Bisher gab es nur in manchen Studien Hinweise auf ein höheres Risiko bei Frauen, aber nicht bei Männern.
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- Es gab keinen Unterschied im Risiko zwischen regelmäßigen und gelegentlichen Fleischessern.
- Fischesser hatten ein geringfügig höheres Risiko als Fleischesser (um 8 Prozent), aber der Unterschied war statistisch nicht signifikant.
Die Wissenschafter haben auch berechnet, wie sich diese relative Unterschiede des Risikos im Alltag auswirken:
- Unter 1.000 regelmäßigen, aber auch gelegentlichen Fleischessern kommt es im Laufe von zehn Jahren zu 6,5 Hüftbrüchen.
- Unter 1.000 Fischessern (aber nicht Fleischessern) sind es im Laufe von zehn Jahren 7 Hüftbrüche.
- Unter 1.000 Vegetariern sind es im Zeitraum von zehn Jahren 9,5 Hüftbrüche - also gerade einmal 3 mehr pro 1.000 Personen und zehn Jahre.
Das Autorenteam betont, dass man dieses moderat erhöhte absolute Risiko nicht isoliert betrachten dürfe. Man müsse es den potenziellen gesundheitlichen Vorteilen einer vegetarischen Ernährungsform gegenüberstellen - und diese können das erhöhte Knochenbruchrisiko aufwiegen.
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So zeigten ebenfalls Auswertungen der UK Biobank, dass es pro 1.000 Vegetariern über einen Zeitraum von 10 Jahren zu 13 weniger Krebserkrankungen kommt, das Risiko für eine Herzgefäßerkrankung ist um 9 Prozent reduziert.
Was die Gründe für die vermehrten Brüche sein könnten
Die Studienautoren versuchen auch eine Erklärung für die häufigeren Hüftbrüche zu liefern. Sie sehen vor allem zwei mögliche Ursachen:
Die Vegetarierinnen und Vegetarier in der Studienpopulation hatten im Durchschnitt einen niedrigeren Body-Mass-Index (BMI) im Vergleich zu den Fleischessern (25,9 versus 27,7 kg/m²) und waren auch deutlich seltener übergewichtig (49 % versus 70,7 %). Übergewicht (BMI zwischen 25 und 29,9 kg/m²) kann das Risiko für Hüftbrüche reduzieren (nicht aber Adipositas ab einem BMI von 30 kg/m²). Ein etwas höherer Fettanteil kann bei einem Sturz die Intensität des Aufpralls abmildern. Gleichzeitig aber kann ein niedrigerer BMI ein Hinweis auf geringere Muskelmasse und weniger Muskelkraft sein. Doch insgesamt erklärt der Aspekt rund um den BMI nur rund ein Drittel des erhöhten Risikos der Vegetarier (genau: 28 Prozent).
Als wichtigster Grund für das höhere Risiko führt die Studie einen vielfach zu geringen Proteinkonsum an:
Die Wahrscheinlichkeit, dass Vegetarier ausreichend Protein zu sich nahmen - entsprechend den aktuellen Ernährungsempfehlungen -, war um 17 Prozent niedriger als bei den Fleischessern.
"Eine wichtige Botschaft unserer Studie ist daher, dass Vegetarier auf eine ausgewogene Ernährung mit ausreichend Proteinzufuhr achten müssen und auch auf einen gesunden BMI-Wert", sagt der Hauptautor der Studie, James Webster. "Vegetarische Ernährung hat gesundheitliche Vorteile. Ein Verständnis für die Qualität der Ernährung und eine Balance der Nährstoffe kann helfen, das Risiko für Knochenbrüche zu senken und die Knochengesundheit zu verbessern" - und gleichzeitig die vegetarische Ernährungsweise beizubehalten.
Zu wenig Daten zu Veganern
Obwohl für die Studie die Ernährungsdaten von mehr als 400.000 Personen ausgewertet wurden, war die Zahl der Menschen mit veganer Ernährungsweise (sie verzichten auf alle Nahrungsmittel tierischen Ursprungs, also z. B. auch Käse und Eier) zu gering, um sie als eigenständige Gruppe auszuwerten. Die Studienautoren spekulieren, dass bei ihnen das Risiko für einen Knochenbruch noch höher sein könnte, weil bei ihnen die Wahrscheinlichkeit, dass sie die empfohlene Aufnahmemenge an Proteinen und Kalzium erreichen, noch geringer als bei Vegetariern ist. Sie plädieren für weitere Studien mit einer ausreichend großen Gruppe an Veganern.
Auch eine Studie vom Zentrum für Public Health der MedUni Wien kam kürzlich zu dem Ergebnis, dass eine vegane Ernährung nicht per se mit ,gesund`gleichgesetzt werden könne, wie die Studienleiterin Maria Wakolbinger erklärte.
Eine Online-Befragung unter 516 Personen zeigte demnach, dass nur rund die Hälfte ein gesundheitsbewusstes Ernährungsmuster hatte. Die andere konsumierte einen höheren Anteil von verarbeiteten Fisch- und Fleischalternativen, veganen pikanten Snacks, Soßen, Kuchen und anderen Süßigkeiten, Fertiggerichten, Fruchtsäften sowie raffinierten Getreidesorten. Dieses gesundheitlich ungünstige Convenience-Ernährungsmuster könne durchaus als ,Pudding-Veganismus‘ bezeichnen werden,sagen die Studienautorinnen Maria Wakolbinger und Sandra Haider.
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