Niederschwelliger Zugang
„Smartphones mit allen ihren Apps bieten eine Möglichkeit, eine Technik ständig bei uns und zur Verfügung zu haben“, sagt Meditationsexperte Wolfdieter Nagl. Der Mediziner mit Praxis in Mödling beschäftigt sich seit Langem mit den Wirkungen von Meditation auf Körper und Geist. Viele seiner Patienten berichten ihm von guten Erfahrungen mit Apps.
Er sieht den niederschwelligen Zugang und die zeitliche Flexibilität der Nutzung als positive Aspekte. „Apps können einen großen Beitrag leisten, Meditation auszuprobieren, ohne gleich ein Meditationszentrum oder einen Achtsamkeitskurs zu besuchen. Einen mehrwöchigen Achtsamkeitsmeditation Kurs ersetzen sie nicht.“
Der Nachteil: Vorurteile bleiben erhalten. „Viele glauben, Meditieren heißt, die Gedanken vollständig abzuschalten. Wenn das nach zwei- oder dreimaligem Benutzen nicht gelingt, hören sie wieder auf.“ Das Wesen von Meditation ist aber nicht, auf Knopfdruck frei jeglicher Gedanken zu sein. „Sondern die Gedanken, die aufkommen, wertfrei zu beobachten.“
Meditation wird häufig mit Entspannung verwechselt. „Es ist keine Entspannungsübung. Meditation ist ein Training des Geistes, die Aufmerksamkeit bewusst auf etwas zu lenken und dort zu halten.“ Dadurch stabilisiert sich der Geist „und springt nicht herum wie ein wilder Affe“.
Auch wenn dabei Gedanken wie vor einem inneren Auge „vorbeiziehen“ dürfen: „Die Konzentration während der Meditation zu halten ist oft eine Herausforderung. Aber es lohnt sich dabei zu bleiben, weil der Geist dadurch ruhiger wird“, weiß Nagl. Ob App oder Anleitung in einem Kurs: Fürs Meditieren ist Übung nötig. Daher vergleicht es der Mediziner mit dem Erlernen einer Sportart. „Sport ist Training des Körpers, Meditation ist Training des Geistes.“
Regelmäßig nutzen
Da wie dort passt nicht jede Methode für alle gleich gut. „Bei Apps sehe ich das Problem, dass man heute dieses morgen jenes probiert. Das ist, als ob man heute mit Tennis und morgen mit dem Rudersport beginnt. Da werde ich in keiner Sportart besser werden.“ Er empfiehlt, bei einer App zu bleiben und diese regelmäßig zu nutzen.
Dass die tägliche Meditations- oder Achtsamkeitspraxis einen Effekt hat, lässt sich übrigens messen. „Es gibt klare Ergebnisse, dass sich bereits nach einer Woche mit täglich 20 Minuten Achtsamkeitstraining eine dämpfende Wirkung bei Angstzuständen zeigt. Die Unruhe im Angstzentrum des Gehirns geht zurück.“ Auch mit Apps gibt es bereits erste Studien, die auf positive Ergebnisse wie eine verbesserte Stimmungslage hinweisen.
Darauf berufen sich auch manche Anbieter. Der deutsche Psychologe Dirk Lehr von der Leuphana Universität in Lüneburg warnt im Wissenschaftsmagazin Spektrum: Oft stammen die Ergebnisse aus Studien, in denen Apps mit Gruppentrainings verglichen werden. Letztere haben für Mediziner Nagl einen Vorteil. Beim Meditieren läuft vieles ohne Sprache ab. Er zieht wieder den Sportvergleich heran: „Beim Tennisspielen kann ein Trainer eine falsch eingesetzte Handhaltung korrigieren. Ebenso erspart die richtige Anleitung beim Meditieren viel Zeit.“
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