Florian Krammer: Wie die Vorbereitung auf Pandemien besser werden soll

Florian Krammer in seinem Labor in New York - ab März baut er auch ein Labor an der MedUni Wien auf.
Neues Boltzmann-Institut wird u. a. Verbreitung von Viren in Wien überwachen. Weitere Institute suchen neue Wege des Medikamententransports und besseres Verständnis des "Netzwerk Mensch".

Österreich soll auf eine mögliche künftige Pandemie besser vorbereitet sein als auf die Coronavirus-Pandemie: Das sagte der österreichische Virologe Florian Krammer, Professor für Impfstoff-Forschung (Vakzinologie) an der Icahn School of Medicine in New York, Montag bei der Präsentation von drei neuen Ludwig-Boltzmann-Instituten (LBI). Krammer wird eines der drei Institute - jenes für Wissenschaftskommunikation und Pandemievorsorge an der MedUni Wien - leiten.

"Wir haben in der Pandemie gelernt, dass wir nach wie vor von Viren überrascht werden und es recht schwierig ist, die Risiken, die mit diesen Viren entstehen, zu kommunizieren", sagt Krammer. Auch die Kommunikation zwischen Wissenschaft, Politik und der Bevölkerung, was Gegenmaßnahmen betrifft, sei teilweise recht schwierig. "Unser Institut fokussiert darauf, Lösungen für diese Probleme zu finden, damit wir besser auf die nächste Pandemie vorbereitet sind."

In einem ersten Projekt sei die Virusüberwachung in einem städtischen Raum - konkret in Wien - geplant, "an der Schnittstelle zwischen Tier und Mensch". Im städtischen Raum gebe es sehr viele Tiere - Ratten, Mücken, bis hin zu Vögeln - "die alle möglichen Krankheitserreger übertragen". Und bei neuen Viren gehe es meistens um eine Übertragung vom Tier auf den Menschen. Geplant ist, etwa Proben von Vogelkot, von Ratten oder aus dem Abwasser zu untersuchen.

Sollten dabei gefährliche Viren isoliert werden, ist die Entwicklung von Impfstoffkandidaten und auch von Therapien geplant, um früh Gegenmaßnahmen ermöglichen zu können.

Florian Krammer: Wie die Vorbereitung auf Pandemien besser werden soll

Drei neue Boltzmann-Institute: Barbara Weitgruber, Sektionschefin im Wissenschaftsministerium;  Freyja-Maria Smolle-Jüttner, Präsidentin Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft; Nicole Meisner-Kober, Leitung LBI für Nanovesikuläre Präzisionsmedizin; Jörg Menche, Leitung LBI für Netzwerkmedizin; Florian Krammer, Leitung LBI für Wissenschaftsvermittlung und Pandemievorsorge (v.l.n.r.)

Dabei solle auch die Bevölkerung eingebunden werden: "In New York startete bereits ein gutes Pilotprojekt, in dem wir mit Oberstufenschülerinnen und -schülern in Parks Vogelkot einsammeln." Die österreichische Genetikerin Christine Marizzi ist bereits in ein solches Projekt in New York eingebunden, den "New York City Virus Hunters".

Generell solle versucht werden, die Bevölkerung von Beginn an in die Erforschung von Krankheitserregern einzubeziehen und dies umfassend zu kommunizieren. In einem eigenen Projekt wird evaluiert, wie gut das funktioniert und wie diese Strategien optimiert werden können. Generell soll ein tieferes Verständnis über auftretende Infektionskrankheiten und deren Auswirkungen in der Bevölkerung vermittelt werden.

Partner sind unter anderem die Stadt Wien und die Gesundheit Österreich GmbH.

"Österreich liegt mir sehr am Herzen"

"Österreich liegt mir sehr am Herzen", betonte Krammer, "ich habe immer Anknüpfungspunkte zu Österreich gesucht und jetzt habe ich sehr gute Möglichkeiten, in Österreich etwas aufzubauen".

Das Boltzmann-Institut werde Mitte des Jahres 2025 starten, "weil ich mich in Österreich erst einarbeiten muss". Bereits ab März wird Krammer 20 Prozent seiner Arbeitszeit einer Professur für Infektionsmedizin an der MedUni Wien widmen: Diese Zeit werde er auch in Wien verbringen: "Gerade im ersten Jahr werde ich sicher oft in Wien sein, weil ich ja ein Labor aufbauen muss."

Die Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft hat eine neue Ausrichtung auf Medizin und Gesundheit und präsentierte am Montag auch zwei weitere Institute:

Kleine Bläschen als Transporter

Das Ludwig-Boltzmann-Institut für Nanovesikuläre Präzisionsmedizin will völlig neuartige Therapiemöglichkeiten entwickeln. "Zellen in unserem Körper kommunizieren ständig miteinander, indem sie molekulare Botenstoffe miteinander austauschen", sagt die Leiterin Nicole Meisner-Kober von der Paris Lodron Universität Salzburg. Diese werden aber zu einem großen Teil nicht einzeln ausgesendet, sondern in Paketen. Die Senderzellen verpacken ihre Informationen in Vesikel, Bläschen, die nur zwischen 70 und 120 Nanometer groß sind (ein Nanometer ist ein Millionstel Millimeter). An der Oberfläche dieser Bläschen befindet sich eine Art Adresscode, der es ermöglicht, Informationen etwa vom Darm ins Gehirn zu transportieren. "Wenn es gelingt, diesen Adresscode zu entschlüsseln und zu beeinflussen, könnten damit Medikamente zielgerichtet genau nur dorthin transportiert werden, wo sie benötigt werden, wie etwa bei der Tumortherapie", erklärte Meisner-Kober.

Das Netzwerk Mensch

Beim dritten Institut geht es um ein besseres Verständnis der Kommunikation zwischen den einzelnen "Bauteilen" des Menschen - von Proteinen bis hin zu Organen. "Die Kernidee ist, dass der Mensch mehr ist als die Summe seiner Einzelteile", sagt Jörg Menche, Leiter des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Netzwerkmedizin an der Universität Wien. "Wir gehen der Frage nach, wie die verschiedenen Einzelteile des Menschen untereinander in Verbindung stehen, wie sie miteinander kommunizieren, welche Wechselwirkungen es gibt." Damit sollen Erkrankungen präziser definiert werden können sowie Diagnosen und Therapien rascher entwickelt werden können. "Unsere Vision ist, in den kommenden zehn Jahren eine Medizin der Zukunft zu entwickeln, die auf den Grundlagen der sehr komplexen Zusammenhänge im Körper besteht."

Die drei Institute, die jeweils in Kooperation mit einer Universität für maximal zehn Jahre eingerichtet werden, erhalten eine Basisfinanzierung von bis zu 1,5 Millionen Euro im Jahr. 80 Prozent kommen von der Boltzmann-Gesellschaft und 20 Prozent von der jeweiligen Partnereinrichtung (MedUni Wien, Universität Salzburg und Universität Wien).

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