Erschöpfungssyndrom ME/CFS: Welchen Ursachen Forscher auf der Spur sind
Eine schwere körperliche und geistige Erschöpfung, und dadurch eine extrem beeinträchtigte Leistungsfähigkeit: Das kennzeichnet die Erkrankung ME/CFS (siehe auch unten). Vieles ist zu den Ursachen noch unklar, doch jetzt zeigen die Autorinnen und Autoren einer neuen Studie einige mögliche auslösende Faktoren auf.
Und mit der neuen Studie bestätigt sich eines mehr und mehr: „Es handelt sich um eine biologische und nicht um eine psychologische Erkrankung“, wird Avindra Nath von den National Institutes of Health (NIH) in den USA in der New York Times zitiert. Er leitete eine Studie zu der Erkrankung mit 17 Betroffenen, die alle vor der Corona-Pandemie erkrankt waren. Und zwar immer im Anschluss an eine Infektion.
Das Resultat: Es zeigten sich signifikante Unterschiede in der Funktion des Immunsystems, des Herz-Kreislaufsystems, des Darmmikrobioms und in der Gehirnaktivität der ME/CFS-Patienten im Vergleich zu einer Gruppe von 21 gesunden Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern.
ME/CFS
Bei ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue Syndrom (ME/CFS) handelt es sich um eine neuroimmunologische Multisystemerkrankung. Bis zu 80.000 Menschen in Österreich sind betroffen. Mehr zu der Erkrankung finden Sie auf dieser Seite der MedUni Wien.
Fehlregulation
Es kommt dabei zu Fehlregulationen des Nervensystems, des Immunsystems und des Stoffwechsels. Je nach Schweregrad der chronischen Erschöpfung (Fatigue) ist es den Betroffenen nur mehr teilweise oder gar nicht mehr möglich, Aktivitäten auszuführen, die für ihr Alltagsleben notwendig sind
Die Unterschiede im Immunsystem gehörten zu den deutlichsten Ergebnissen, sagt Anthony Komaroff, Professor für Medizin an der Harvard Medical School, USA. Er war an der Studie nicht beteiligt, fungierte aber als Gutachter: Demnach fand das Studienteam „eine chronische Aktivierung des Immunsystems, als ob es in einem langen Krieg gegen einen fremden Keim verwickelt wäre, einem Krieg, den es nicht vollständig gewinnen konnte und deshalb weiter kämpfen musste“.
„Nie wieder beruhigt“
Studienleiter Nath vertritt die Theorie, dass sowohl bei Long Covid als auch bei ME/CFS als Folge einer Infektion „entweder Teile des Erregers zurückbleiben und die Sache vorantreiben“ oder „der Erreger ist weg, aber was auch immer er mit dem Immunsystem gemacht hat, es hat sich nie wieder beruhigt“.
Die Erschöpfung könnte durch eine Funktionsstörung der Gehirnregionen verursacht werden, die die Bewegungen des Körpers steuern. Die Patienten hatten auch eine erhöhte Herzfrequenz und ihr Blutdruck brauchte länger, um sich nach körperlicher Anstrengung zu normalisieren.
Fazit: „Die Autoren zeichnen eine mögliche Kaskade von Ereignissen nach“, so Nath – beginnend mit einer anhaltenden Reaktion des Immunsystems, die Veränderungen im zentralen Nervensystem verursacht. Dies hat Auswirkungen auf die Gehirnchemie und beeinträchtigt die Funktion bestimmter Gehirnstrukturen, die die motorischen Funktionen und die Wahrnehmung von Müdigkeit steuern, schreibt The Guardian. Die Aktivierung des Immunsystems beeinflusse das Gehirn auf verschiedene Weise und verursache biochemische Veränderungen, die dann die verschiedenen Symptome auslösen, erklärt Studienleiter Nath.
Die britische Zeitung zitiert Walter Koroshetz, Direktor des National Institute of Neurological Disorders and Stroke (NINDS) der NIH: „Menschen mit ME/CFS haben sehr reale und behindernde Symptome, aber es war extrem schwierig, deren biologische Grundlage aufzudecken. – Diese detaillierte Studie an einer kleinen Gruppe von Menschen hat eine Reihe von Faktoren gefunden, die wahrscheinlich zu ME/CFS beitragen.“ Die Studie ist im Fachjournal Nature Communications erschienen.
Biomarker-Nachweis
Erst vor Kurzem hat ein Team um Eva Untersmayr-Elsenhuber vom Zentrum für Pathophysiologie, Infektiologie und Immunologie der MedUni Wien Studienergebnisse publiziert, die in eine ähnliche Richtung zeigen: Zunächst wurden ME/CFS-Patientinnen und -patienten in Untergruppen unterteilt. Anschließend konnten bei den Betroffenen Biomarker (biologische Merkmale) nachgewiesen werden, die auf Störungen im Immunsystem beziehungsweise auf eine reduzierte Darm-Barriere-Funktion hindeuten.
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