Long-Covid: Dramatischer Hilferuf einer Patientin

Long-Covid: Dramatischer Hilferuf einer Patientin
Das Protokoll: Eine Wiener Krankenschwester hat sich vor drei Jahren mit dem Coronavirus infiziert. Sie ist heute ein Pflegefall. Es ist nicht nur ihr körperlicher Verfall, der sie stark belastet.

Kochsalzlösung und Glukose: Auch während des Interviews hängt sie am Tropf. Das Zimmer, in dem Eva-Maria Burger den ganzen Tag lang liegt, ist abgedunkelt. Zudem schützt sie eine Sonnenbrille vor dem schmerzenden Licht. Neben dem Krankenbett sitzt ihr Partner, der sie seit bald zwei Jahren pflegt. Er hält ihr die Hand. Greift ihr öfters auf die Stirn, weil er genau weiß, dass als ein Indiz ihrer Erschöpfung ihre Körpertemperatur ansteigen wird.

Die diplomierte Krankenschwester hat sich im Dienst 2020 und 2021 zweimal mit Covid-19 infiziert – und davon nicht mehr erholt. Im Gegenteil. Beim Besuch des KURIER im Frühjahr 2022 war sie bereits in einem miserablen Zustand. Seit damals ging es noch viel weiter bergab.

Long-Covid: Dramatischer Hilferuf einer Patientin

Pflege rund um die Uhr

Im Video erzählen ihr Lebensgefährte und sie ihren Leidensweg von Anfang an. „Als ich die Eva auf dem Boden liegend und sich vor Schmerzen biegend vor meiner Wohnungstür vorfand, war klar, dass wir ein Thema haben“, erinnert sich Mario Kliment.

Seither ist er rund um die Uhr pflegender Angehöriger: „Ich war in diesem Jahr erst einmal auswärts essen, die Eva konnte heuer noch kein einziges Mal freiwillig das Haus verlassen.“ Die meiste Zeit des Tages, der Woche, des Monats sind die beiden allein zu Hause.

Das übergeordnete Ziel lautet: Einen „Crash“, also einen weiteren Krankheitsschub, tunlichst zu vermeiden. Eva-Maria Burger erklärt das so: „Da wird man kaltschweißig, unruhig. Da fühlt man sich, als hätte man sich gerade im Fitnesscenter komplett ausgepowert. Die Arme werden kraftlos und leicht. Du hast plötzlich keine Kraft mehr. Oft ist es so schlimm, dass ich mich im Bett nicht mal mehr umdrehen kann.“

Long Covid: Eva Maria Burger - Das Protokoll

Ganze Woche gestohlen

Umso bitterer ihre Erlebnisse mit einigen uneinsichtigen Medizinern, die sie zu ihren Begutachtungen zu sich bestellen und einen Hausbesuch von vornherein kategorisch ablehnen. Was meist in einem Zusammenbruch mündet, der mehrere Tage lang anhält.

Zuletzt hatte sie ein praktischer Arzt in die Ordination im 20. Bezirk geladen, um eine gerichtlich angeordnete Begutachtung bezüglich des Pflegebedarfs durchzuführen. Zwei ärztliche Atteste, dass sie nicht transportfähig ist, ließ er nicht gelten. In der Ordination soll er dann allen Ernstes erklärt haben, dass er – obwohl als Gutachter eingesetzt – von Long-Covid so gut wie keine Ahnung hat.

„Trotz Liegendtransport und Beruhigungsmittel ist es mir furchtbar gegangen“, erzählt Eva-Maria Burger heute. „Dieser Arzt hat mir nicht nur den einen Tag, sondern auch die komplette nächste Woche gestohlen.“ So lange hat es gedauert, bis sie sich wieder einigermaßen erholt hat.

Weil sie mit den Spätfolgen der Pandemie längst nicht allein ist, weil viele andere von ebensolchen Medizinern berichten, mündet der Hilferuf der Covid-Patientin und ihres Partners in einer Kampfansage: „Wir werden uns diese Behandlung nicht mehr länger gefallen lassen. Wir werden klagen, und wir werden die Missstände jetzt endlich öffentlich machen.“

Vorerst aber Ruhe. Ihre Temperatur ist jetzt bereits über 38,5 Grad Celsius angestiegen. Eine Stunde lang miteinander reden, ist das Maximum, das noch möglich ist. In den USA, wo man von rund 25 Millionen Long-Covid-Patienten ausgeht, wurde vor Kurzem eine große Studie gestartet. Es bleibt zu hoffen, dass sie den Betroffenen hilft, und sei es nur, dass sie sich nicht mehr erklären müssen.

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