Elvira Welzig: Wir werden in einem Umfeld sozialisiert, in dem Gespräche über Bildung oft negativ besetzt sind. Zu Sechsjährigen sagt man, ,ach du armes Kind, jetzt musst du bald in die Schule gehen‘. Mit solch einer negativen Haltung wird die Wissenschaftsskepsis von langer Hand vorbereitet. Bildung hat keinen hohen Stellenwert in Österreich.
Es gibt zwar sehr viel Forschung, wie man Bildung ansprechend vermitteln kann, aber bei uns wird das nicht sachlich, sondern immer gleich ideologisch diskutiert, und das tut mir im Herzen weh. Und dann kam es in der Pandemie in Teilen der Bevölkerung noch zu einer Verstärkung der Wissenschaftsskepsis, die Bezeichnung ,Expertin‘ oder ,Experte‘ wurde abgewertet, dass es schlimmer nicht ging.
Aber liegt es nicht auch an vielen Forschenden, dass sie ihre Erkenntnisse nicht verständlich kommunizieren?
In der Vergangenheit hat man teilweise sicher verabsäumt, wissenschaftliche Erkenntnisse in eine verständliche Sprache zu übersetzen. Problematisch ist aber auch, wenn in manchen Medien einzelne Studienergebnisse hochgespielt werden, ohne sie in einen Zusammenhang zur bisherigen Datenlage zu stellen: Was ist wirklich neu? Wie fundiert sind die Daten? Sind sie überprüfbar? Die Öffentlichkeit hat dann den Eindruck, fünf Wissenschafter haben fünf unterschiedliche, aber gleichwertige Meinungen. Dem ist aber nicht so.
Aufgabe von Wissenschaft ist es, Hypothesen zu überprüfen und fundiertes, evidenzbasiertes Wissen zu generieren. Das machen unsere Institute. Das Team vom LBI für Lungengesundheit etwa hat umfangreiche Daten, wie stark ein Rückgang der Impfungen gegen Keuchhusten die Krankheitsfälle ansteigen lässt. Das ist gesichertes Wissen, durch viele Studien bestätigt. Darauf baut weitere Forschung auf.
Wie wollen Sie jetzt das Interesse an Forschung wecken?
Wo es möglich ist versuchen wir, bei neuen Forschungsprojekten die Bevölkerung von Anfang an einzubeziehen und zu zeigen, wie jede und jeder Einzelne von Forschung profitiert. So sind 100.000 Probandinnen und Probanden in die Entwicklung einer App zur Früherkennung von Vorhofflimmern – der häufigsten Herzrhythmusstörung – eingebunden. Ein anderes Beispiel ist die aktivplan App des LBI für Digitale Gesundheit und Prävention. Medizinisches Personal kann dabei Reha-Patienten bei der Erstellung eines persönlichen Bewegungsplans unterstützen und begleiten. Patienten konnten frühzeitig ihre Vorstellungen zu den Funktionen eines solchen Hilfsmittels einbringen.
In der Medizin waren aber doch immer schon Menschen in Studien eingebunden?
Ja, aber die stehen als Studienteilnehmer am Schluss einer langjährigen Entwicklung, etwa der eines neuen Wirkstoffes. Wir wollen Menschen aber schon zu Beginn einbinden: Was ist dir wichtig? In welche Richtung soll die Forschung gehen? Welchen Fragen hast du?
Ein Beispiel aus der Krebsforschung: Wir hatten im Vorjahr Menschen aus unterschiedlichen Bereichen zu einem „Cancer Mission Lab“ eingeladen: Vertreter von Forschungs- und Gesundheitseinrichtungen ebenso wie Patientinnen und Patienten. Sie diskutierten mehrere Tage lang neue, innovative Projektideen in den Bereichen Krebsprävention oder Versorgung von Krebspatienten.
Und das Team um den Virologen Florian Krammer wird im neuen Ludwig Boltzmann Institut für Wissenschaftskommunikation und Pandemievorsorge – die offizielle Eröffnung ist am 1.7. – Schülerinnen und Schüler einbinden: So werden sie etwa selbstständig Proben sammeln und auf das Vorhandensein von Viren analysieren können. All diese Projekte zeichnet aus, dass unverzichtbare Grundlagenforschung mit dem Ziel konkreter Anwendungen verbunden wird.
Noch zum Thema Interesse wecken: In den USA sind viele Forschende von massiven Einschränkungen betroffen. Gibt es Interesse an einem Wechsel nach Österreich?
Es gibt einige Anfragen, vor allem von Personen, die aus Europa stammen und über eine Rückkehr nachdenken. Wir sprechen aber auch gezielt Forschende an. Gerade der Gesundheitsbereich ist in den USA aktuell massiv von Kürzungen betroffen.
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