Aus dem Labor ins Spital: Warum klinische Studien so wichtig sind
Kein neues Krebsmedikament, kein neuer Impfstoff ohne klinische Studien. Sie prüfen Wirkung und Sicherheit innovativer Therapieansätze. Mit neuen Fördermitteln will die Regierung dieses Vorgehen in Österreich stärken.
"Klinische Studien sind der finale Schritt, um Behandlungen aus dem Labor zu den Patienten in die Kliniken zu bringen", beschreibt Elizabeth Eisenhauer. Die kanadische Krebsforscherin ist eine von vielen namhaften Forschungspersönlichkeiten, die sich anlässlich einer Konferenz zum Thema klinische Forschung am Dienstag im Palais Niederösterreich einfanden. Initiiert wurde der Kongress unter anderem von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft (LBG).
Klinische Studien seien ein wichtiger Motor für "die Evolution neuer Behandlungsoptionen" und damit für die bestmögliche Versorgung von Patientinnen und Patienten, wurde Eisenhauer in ihrer Eröffnungsrede nicht müde zu betonen.
Um Beobachtungen aus der rein erkenntnisorientierten Grundlagenforschung in konkrete medizinische Therapien zu übersetzen, braucht es neben fähigen Forschenden vor allem eins: ausreichend finanzielle Mittel. Dass in puncto Fördermittel in Österreich Nachholbedarf besteht, unterstreichen Fachleute immer wieder. So meinte die nunmehrige Rektorin der Med Uni Graz, Andrea Kurz, im KURIER-Interview vor einigen Monaten etwa, dass "große, öffentliche Töpfe zur Forschungsfinanzierung fehlen".
Vor diesem Hintergrund ist die jüngste Fördervereinbarung zwischen dem Wissenschaftsministerium und der LBG als positives Signal zu werten.
Neue Gelder für neue Forschungsprojekte
Für den Zeitraum von 2024 bis 2026 werden der LBG 38 Millionen Euro zur Verfügung gestellt –deutlich, genauer gesagt um 43 Prozent, mehr als in den vergangenen Jahren. "Die letzten Jahre haben uns vor Augen geführt, wie rasch sich Krankheiten ausbreiten können", schickt Bundesminister Martin Polaschek, ebenfalls beim Kongress zu Gast, in Anspielung auf die Corona-Pandemie voraus. Die Ansprüche an die Medizin, insbesondere in einer stetig alternden Gesellschaft, würden zudem zunehmend höher. "Wir müssen die Möglichkeit schaffen, neue Medikamente oder Operationsmethoden ergebnisoffen zu testen, damit sie den Weg zu den Menschen finden."
Freyja-Maria Smolle-Jüttner, LBG-Präsidentin, zeigt sich mit Blick auf die Förderung erfreut: "Das Ministerium hat uns hier großartig unterstützt." Dass in anderen Ländern teilweise ein Vielfaches des vereinbarten Betrages in klinische Studien fließt, erklärt Smolle-Jüttner so: In den USA, Deutschland oder der – einwohnermäßig eher mit Österreich vergleichbaren – Schweiz sei die Industrie weitaus stärker in die Forschungsförderung involviert. In den USA ist es etwa auch Usus, dass Forschungserfolge in Start-ups direkt Umsetzung und Vermarktung finden. "Das gibt es bei uns in diesem Ausmaß noch nicht", sagt die Chirurgin, die sich einen engagierteren Beitrag der Industrie wünschen würde.
Entwicklungen in medizinischer Wissenschaft und Technologie schreitet immer weiter voran. Um sie sicher und wirksam einsetzen zu können, braucht es klinische Forschung. Sie zielt darauf ab, die Wirksamkeit und Sicherheit neuer Behandlungsansätze zu prüfen. Mit dem Ziel, Prävention, Diagnostik und Therapien zu entwickeln. Während die Grundlagenforschung Hypothesen über potenzielle neue Behandlungen liefert, sind klinische Studien die einzige Möglichkeit, herauszufinden, ob sich diese Entdeckungen in positive Wirkungen beim Menschen umsetzen lassen.
Die Ludwig Boltzmann Gesellschaft (LBG) ist – neben der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG), dem Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) und dem Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) – maßgebliche Kuratorin einer aktiven heimischen Forschungsszene. Seit 2021 konzentriert sich die LBG vermehrt auf Lebenswissenschaften, auch Life Sciences genannt. Neben drei neu gegründeten Instituten in den Feldern Wissenschaftsvermittlung und Pandemievorsorge, nanovesikuläre Präzisionsmedizin und Netzwerkmedizin, nahmen zuletzt auch drei neue klinische Forschungsgruppen ihre Arbeit auf. Sie beschäftigen sich unter anderem mit dem frühzeitigen Erkennen von Vorhofflimmern und maßgeschneiderten Therapien bei Hirntumoren.
Zusätzlich zum 38-Millionen-Euro-Fördertopf werden weitere acht Millionen Euro zur Gründung einer weiteren Forschungsgruppe zur Verfügung gestellt. Bereits bestehende Gruppen beschäftigen sich unter anderem mit neuartigen Therapien bei Hirntumoren (siehe Infobox). "Damit erreichen wir eine Dimension, die international trägt und uns mehr Sichtbarkeit im globalen Wissenschaftssetting verschafft", sagt Smolle-Jüttner. Das mache Österreich als Wirkungsstätte für Top-Forschende attraktiv. Als Beleg dafür darf die kürzlich verkündete Rückkehr des in den USA tätigen Virologen Florian Krammer an ein neu gegründetes Ludwig Boltzmann Institut für Wissenschaftskommunikation und Pandemievorsorge gewertet werden.
Stichwort Wissenschaftskommunikation: Die Pandemie hat nicht nur gezeigt, wie wichtig die kontinuierliche Erprobung neuer Impfstoffe und Medikamente ist. Sie hat auch eine große Wissenschaftsskepsis in Österreich offengelegt. Sind Investitionen in die heimische Forschung ein Investment in ein stärkeres Wissenschaftsvertrauen? "Alles, was bei uns an exzellenter Forschung passiert, zeigt den Menschen, dass Wissenschaft für sie einen Mehrwert hat – gerade im Medizin-Bereich, beispielsweise bei Krebserkrankungen", sagt Minister Polaschek.
An klugen Forscherköpfen mangelt es hierzulande nicht. Als berufliche Heimat ist Österreich für viele dennoch wenig attraktiv. Teils dürftige Perspektiven auf sichere, langfristige Anstellungen und das Bangen um Fördergelder für neue Projekte prägen das Schaffen. "Forschender zu sein bedeutet, dafür bezahlt zu werden, sich mit Dingen zu befassen, die einen aus vollem Herzen interessieren. Das ist ein Privileg, auch wenn der Job ein intensiver ist", argumentiert Polaschek. Ähnlich Smolle-Jüttner: "Ich würde jungen Forscherinnen und Forschern raten, neugierig zu bleiben und nicht in erster Linie aufs Geld zu schielen, sondern auf die Resultate", sagt sie. "Wenn die gut sind, kommt die nächste Förderung bestimmt."
Kommentare