Long Covid und ME/CFS: Frauen sind stärker betroffen

Frau liege erschöpft auf Matte am Boden
Dass Frauen häufiger an ME/CFS erkranken, ist schon länger bekannt. Die weltweit größte Studie zu dieser Erkrankung zeigt nun, wie sich die Symptome zu denen von Männern unterscheiden.

Die Myalgische Enzephalomyelitis/das Chronische Fatigue-Syndrom (ME/CFS) ist eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, die oft zu einem hohen Grad körperlicher Behinderung führt. Weltweit sind etwa 17 Millionen Menschen betroffen. Der bisherige Stand der Forschung hat gezeigt, dass schätzungsweise 1 bis 10 Prozent der Patientinnen und Patienten nach einer Covid-19-Erkrankung ME/CFS entwickeln können. 

Der genaue Zusammenhang zwischen den Erkrankungen ist zwar noch unklar, dennoch zeigt sich eine deutliche Überlappung der Symptome vom Post-Covid-19-Syndrom und ME/CFS. Hochgerechnet könnten laut MedUni Wien in Österreich somit bis zu 64.000 Menschen mit Post-Covid-Syndrom (Stand Juni 2021, AGES) zusätzlich zu den bereits bestehenden 25.000 ME/CFS-Patienten betroffen sein.

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Große Unterschiede bei Frauen und Männern

Es ist schon länger bekannt, dass Frauen häufiger an ME/CFS leiden - nun gibt die DecodeME-Studie aber zum ersten Mal Einblicke, wie sich die Erfahrungen von Frauen und Männern mit der Erkrankung unterscheiden. Erste Ergebnisse der weltweit größten Studie zu dieser Krankheit zeigen, dass Frauen mit ME/CFS tendenziell mehr Symptome und Begleiterkrankungen haben als Männer.

Demnach treten bei Frauen, die länger als 10 Jahre an ME/CFS leiden, mit zunehmendem Alter häufiger immer schwerwiegendere Symptome auf. Bei dieser langfristigen neurologischen Erkrankung können die Symptome schon durch normale Alltagsanstrengung ausgelöst werden.

Studiendesign

Das Studienteam der Universität Edinburgh rief Menschen ab 16 Jahren mit ME/CFS, die in Großbritannien leben, dazu auf, an der Studie teilzunehmen. Die Experten analysierten anonyme Fragebögen von mehr als 17.000 Menschen mit ME/CFS. Diese enthielten Informationen darüber, wie lange der Befragte ME/CFS-Symptome hatte, wann die Diagnose gestellt wurde und ob bei parallel dazu andere Erkrankungen auftraten.

83,5 Prozent der Befragten waren Frauen. Zwei Drittel (66,7 Prozent) der Frauen und etwas mehr als die Hälfte (52,7 Prozent) der Männer berichteten über mindestens eine aktive gleichzeitig auftretende Erkrankung. Ebenso berichteten 39,2 Prozent der Frauen und 28,6 Prozent der Männer über mindestens eine inaktive, gleichzeitig auftretende Erkrankung. 

Eine Erkrankung galt als aktiv, wenn bei dem Teilnehmer in den vorangegangenen sechs Monaten Symptome aufgetreten waren.

Die häufigsten Begleiterkrankungen

Die häufigste gleichzeitig auftretende aktive Erkrankung war das Reizdarmsyndrom (41,3 Prozent), wobei auch klinische Depressionen (32,4 Prozent), Fibromyalgie (29,5 Prozent), Anämie (14,1 Prozent) und Hypothyreose (12,8 Prozent) häufig genannt wurden.   

Frauen berichteten im Durchschnitt auch über mehr Symptome als Männer – 42 im Vergleich zu 36.

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Die häufigsten dieser Symptome waren „Brain Fog“ – ein Begriff, der häufig verwendet wird, um die kognitive Beeinträchtigung der Teilnehmer zu beschreiben. Auf Deutsch wird es oft wie ein "Nebel im Kopf" beschrieben. Dazu gehören nicht erholsamer Schlaf, Verwirrtheit und Muskelschmerzen.

Die Teilnehmer wurden außerdem gebeten, den Schweregrad ihrer Erkrankung anhand der Definitionen der Richtlinien des britischen National Institute for Health and Care Excellence (NICE) von leicht bis sehr schwer zu definieren. Dabei zeigte sich, dass Frauen, die länger als 10 Jahre an ME/CFS leiden, ein höheres Risiko für schwere Erkrankungen haben. Dazu kommt, dass die Intensität der Symptome mit dem Alter zuzunehmen scheint.

Ausblick auf die weitere Forschung

In der nächsten Phase des Projekts wollen die Experten mindestens 20.000 einzelne DNA-Proben untersuchen, um herauszufinden, ob die Krankheit teilweise genetisch bedingt ist - und wenn ja, soll die Ursache erforscht werden. Ein besseres Verständnis darüber, wie sich ME/CFS auf Menschen auswirkt, soll dabei helfen, wirksame Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln.

Professor Chris Ponting, Studienleiter der MRC Human Genetics Unit am Institut für Genetik und Krebs der Universität Edinburgh, sagt dazu: „ME/CFS ist eine verheerende Krankheit. Wir haben herausgefunden, dass die Krankheit bei Frauen, bei älteren Menschen und viele Jahre nach Beginn ihres ME/CFS schlimmer ist. Wir hoffen, dass die genetischen Ergebnisse von DecodeME Aufschluss darüber geben, warum bestimmte Gruppen anfälliger für ME/CFS sind als andere.“

Erste Ergebnisse der Studie wurden auf NIHR Open Research veröffentlicht: https://openresearch.nihr.ac.uk/articles/3-20 

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