Long Covid: "Eine Riechstörung hat massive Auswirkungen auf die Psyche“
Nach einer Covid-19-Infektion erholen sich viele schnell von Geruchs- und Geschmacksverlust. Bei etwa fünf Prozent könnte es jedoch zu länger anhaltenden Störungen kommen, wie eine Metaanalyse im britischen Ärzteblatt zeigt. Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer.
Internationale Daten würden sich mit den Forschungsergebnissen aus Österreich decken, erklärt Christian Müller, Leiter der Ambulanz für Riech- und Schmeckstörungen an der MedUni Wien. "Frauen waren weniger häufig auf den Intensivstationen und sind häufiger mit einer Riechstörungen diagnostiziert worden. Somit haben sie auch öfter längerfristig eine Riechstörung.“
Omikron
Die Gründe dafür seien nicht bekannt. Auch zu neueren Virusvarianten wisse man noch wenig. Daten würden aber zeigen, dass Omikron seltener zu Geruchs- und Geschmacksstörungen führt als die Delta-Variante. "Auch in der Pandemie sollte man nicht reflexartig Corona die Schuld geben“, betont der Experte, der gemeinsam mit Bertold Renner, Pharmakologe an der Technischen Universität Dresden, ein neues Buch veröffentlicht hat ("Riech- und Schmeckstörungen richtig behandeln“, Facultas Verlag, 23 Euro).
Was vielen nicht bewusst sei: "Riech- und Schmeckstörungen treten erstaunlich häufig auf.“ Untersuchungen zufolge können etwa drei bis fünf Prozent der Allgemeinbevölkerung gar nichts, weitere zehn bis 15 nur eingeschränkt riechen. "Wir kommen so insgesamt auf ein Fünftel der Gesamtbevölkerung, die ein Problem beim Riechen haben.“
Im Alter abnehmend
Zudem steigt die Wahrscheinlichkeit einer Riechverminderung bei über 65-Jährigen auf über 40 Prozent. Dazu tragen neben natürlichen Alterungsprozessen auch Medikamente und Zigaretten oder virale Infektionen und Erkrankungen der Nase und Nasennebenhöhlen bei. Riechstörungen können außerdem frühe Symptome neurodegenerativer Erkrankungen wie Parkinson und Alzheimer sein.
"Je gesünder Menschen sind, desto besser ist ihr Riechvermögen“, sagt Müller. Studien, die Menschen mit guter Nase eine höhere Lebenserwartung zuschreiben, würde er aber nicht verallgemeinern.
Jedoch: "Der innere Zustand der Körpers wird auch durchs Riechen reflektiert.“ Wer eine Riechstörung hat, büße nicht nur an Lebensqualität ein, auch wichtige Warnfunktionen, etwa für Brandgeruch oder verdorbenes Essen, fehlen. "Studien haben gezeigt, dass sich das Risiko von riechbedingten Unfällen in der Küche verdoppelt.“ Auch die Psyche leidet, wenn man den eigenen Körpergeruch oder den seiner Liebsten nicht mehr wahrnimmt.
"Wir haben bei unseren Corona-Studien gesehen, dass durch den Riechverlust das Risiko für eine depressive Verstimmung zunimmt. Es hat wirklich massive Auswirkungen auf die Psyche“, warnt Müller.
Betroffenen rät er unter anderem zum Riechtraining: Zweimal täglich wird an vier verschiedenen Duftölen aus der Apotheke oder Drogerie für jeweils 30 Sekunden geschnüffelt. Nach drei Monaten werden die Öle gewechselt, das Training kann länger als ein Jahr dauern. "Die Riechnerven bilden sich nach, doch die Regeneration geht sehr langsam voran.“
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