Long Covid bei Kindern: So hat Omikron die Lage verändert
Die meisten Kinder überstehen eine Corona-Infektion ohne größere Probleme. Gleichzeitig mehren sich seit Omikron Berichte über Long Covid bei den Jüngsten. Eine Studie aus Großbritannien spricht etwa von einer starken Zunahme betroffener Kinder, die mindestens vier Wochen und länger an Symptomen litten. Auch in Österreich wird immer wieder von Fällen berichtet. Aber tritt Long Covid bei Kindern seit Omikron tatsächlich häufiger auf? Wenn man Leuten fälschlicherweise dauernd sage, Corona wäre nur ein Schnupfen, "dann gehen Eltern davon aus, dass man nach einer Woche wieder fit ist", erklärt Thomas Müller, Direktor der Innsbrucker Univ.-Klinik für Pädiatrie. Bei einer kleinen Gruppe an Kindern könne es aber einfach länger dauern.
Long Covid hört sich mittlerweile fast schon nach einer lebenslangen Diagnose an und das Thema beunruhigt derzeit viele Familien. Die gängigste Definition lautet: Als Long Covid werden jene Symptome bezeichnet, die länger als 4-12 Wochen nach der Infektion noch vorhanden sind. Eine sehr unscharfe Bezeichnung, die Raum für Spekulationen gibt.
Konkrete Definition von Long Covid fehlt
“Wir bemerken, dass vermehrt Anfragen von Eltern kommen, aber ich sehe keinen großen Anstieg, wie in der Studie beschrieben”, erzählt Angela Zacharasiewicz, Oberärztin an der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde und Teil der Long-Covid-Ambulanz für Kinder in der Klinik Ottakring. Besorgte Väter und Mütter würden teilweise schon nach drei Wochen anrufen, mit der Angst, dass der Nachwuchs unter Long Covid leiden würde. Das Thema ist hochemotional und nicht so einfach einzuordnen.
Zunächst sei gesagt, Long Covid bei Kindern gibt es, aber nicht jede Müdigkeit oder Schlafstörung entspringt dem Krankheitsbild. Thomas Müller bezweifelt auch die Aussagekraft von derzeitigen Studien, “wenn nicht einmal eine konkrete Definition von Long Covid besteht, ist es schwierig, valide Aussagen zu treffen.”
Müller und Zacharasiewicz sind sich einig: Wie bei anderen Krankheiten auch, kann die Genese von Corona bei manchen Kindern länger dauern, und man muss ihnen Zeit geben sich zu erholen. Auch wenn das Kind nach der Schule Schlaf braucht, wäre das in Ordnung. “Wir müssen anerkennen, dass es auch einmal acht bis zwölf Wochen dauern kann, bis das Kind wieder die volle Leistungsfähigkeit erreicht”, erklärt Müller.
Langwierige Diagnose
Long Covid ist eine Ausschlussdiagnose. Das heißt, um andere Krankheiten auszuschließen, ist eine Vielzahl an Untersuchungen notwendig. Je nach Symptomen braucht man Blutbefunde, Herzultraschall, MRT und Ähnliches. “Wir finden oft ganz andere Ursachen für die Symptome, wie Eisenmangel oder Migräne”, erklärt Zacharasiewicz.
Es ist zudem nicht immer einfach, Termine für bestimmte Untersuchungen zu bekommen. “Die Kliniken waren teilweise schon vor der Pandemie gut ausgelastet, daher kann es schwierig sein, überhaupt eine genaue Diagnose zu bekommen”, sagt auch Müller, der damit auf die geringe Aussagekraft von Studien anspielt.
Zunächst wäre es aber für Familien wichtig, nicht in Panik zu geraten, bei den meisten Kindern würde Corona ohne Probleme ausheilen. Jedoch brauchen selbst jene, die kaum Symptome hatten, mitunter Zeit, um sich zu erholen. Ein sehr geringer Prozentsatz, zwischen 0,5 und 1 Prozent, würde unter länger anhaltenden Symptomen leiden. Doch auch bei ihnen würden die Symptome meist nach mehreren Wochen wieder verschwinden.
Mögliche Covid-Spätfolge PIMS
Strikt abzugrenzen von Long Covid ist das Syndrom PIMS. PIMS ist die Abkürzung für Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome, eine akute Entzündungskrankheit, die durch eine Überreaktion des Immunsystems hervorgerufen wird und zwei bis vier Wochen nach einer Covid-Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen auftreten kann. Hohes Fieber und Ausschlag sind typische Symptome bei PIMS. Es können aber auch Organe befallen sein, besonders gefährlich ist es, wenn auch das Herz betroffen ist.
Die gute Nachricht. Seit Omikron verzeichnet Zacharasiewicz weniger PIMS-Fälle. Eine Entwicklung, die sich auch in anderen Ländern zeigt. In der Klinik Ottakring gäbe es derzeit gar kein betroffenes Kind. An der Uni-Klinik Innsbruck zählt man seit Beginn der Pandemie 30 Fälle.
Wobei Müller betont, dass man für die Hochrechnung noch einmal fünf bis sechs Fälle abziehen müsse, weil diese Kinder aus Südtirol, Vorarlberg oder aus der Schweiz waren. Der Mediziner würde sich eine lückenlose Erfassung über das Ministerium wünschen.
Müller schätzt, dass es in Österreich bis jetzt zwischen 220 und 250 betroffene Kinder gibt. Wird PIMS frühzeitig diagnostiziert, lässt es sich gut behandeln. Um die Wirksamkeit der Impfung gegen PIMS zu ermitteln, bräuchten wir jedoch genaue Zahlen. Bei der Hauptrisikogruppe der 5- bis 11-jährigen waren immerhin 25 Prozent der Kinder geimpft. Es wäre wichtig, in einem kleinen Land wie Österreich, die Fälle lückenlos zu erfassen und zu eruieren, wie viele von ihnen geimpft waren. Das wäre auch international von Interesse.
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