Krebserkrankungen: Warum die Sterblichkeit kontinuierlich zurückgeht
„Das sind sehr positive und erfreuliche Trends“, sagt der Onkologe Matthias Preusser. Laut einer neuen Studie italienischer Wissenschafter geht der Prozentsatz an Krebspatienten, die in einem Jahr an den Folgen ihrer Erkrankung sterben, weiter zurück. In den derzeitigen 27 EU-Staaten konnten seit 1988 rund 5,9 Millionen Krebstodesfälle vermieden werden.
Welche Gründe gibt es für diesen Rückgang?
Die im Fachjournal Annals of Oncology erschienene Studie „zeigt, dass sich ein gesünderer Lebensstil und die Weiterentwicklungen in der Medizin mehr und mehr in einer Senkung der Sterberaten niederschlagen“. Dies betreffe verbesserte Vorsorge – etwa beim Rauchen – ebenso wie Früherkennungsprogramme (z. B. Brust-, Darm-, Gebärmutterhals- oder Prostatakrebs) und neue Therapieformen, sagt Preusser. Er leitet die Klinische Abteilung für Onkologie von MedUni und AKH Wien.
Dass die Studie gleichzeitig eine Zunahme der absoluten Krebstodesfälle aufzeigt, ist kein Widerspruch: Das hängt mit der Zunahme der Bevölkerung und dem steigenden Durchschnittsalter zusammen. Gerechnet auf eine gleichbleibende Bevölkerungszahl mit gleichbleibender Altersstruktur gehen die Sterbefälle zurück.
Aber an Lungenkrebs sterben mehr Frauen?
Hier sehen die Studienautoren für 2023 tatsächlich einen leichten Anstieg, sie sind aber trotzdem „vorsichtig optimistisch“. Denn bei Frauen mittleren und jüngeren Alters prognostizieren sie einen deutlichen Rückgang der Sterblichkeit dank insgesamt zurückgehender Zahl an Raucherinnen, besonders bei den Jungen. Nur bei den älteren Frauen sei vorübergehend noch mit einem moderaten Anstieg zu rechnen.
Wieso geht Magenkrebs so stark zurück?
Infektionen mit dem Bakterium Helicobacter Pylori – der wichtigste Risikofaktor – sind in entwickelten Ländern rückläufig. Auch Konservierungsmethoden wie Salzen, Pökeln oder Räuchern sind in den Hintergrund getreten. „Und auch der Rückgang der Raucher und verbesserte Therapien spielen eine Rolle.“
Wie ist die Situation in Österreich?
„Wir dürfen sehr stolz sein, was in Österreich alles möglich ist“, sagte kürzlich Wolfgang Hilbe, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie bei der Präsentation des „Österreichischen Krebsreports“. In den vergangenen Jahren gab es u. a. bei Tumoren der Niere, von Hals und Kopf sowie des Magens eine signifikante Verbesserung der Überlebenswahrscheinlichkeit. Bei Brust-, Prostata-, Schilddrüsen- und Hodenkrebs leben drei Jahre nach der Diagnose zwischen 90,6 und 96,6 Prozent der Patienten.
Welche Beispiele für Therapiefortschritte gibt es?
Einerseits Immuntherapien. Spezielle Antikörper lösen dabei vom Tumor ausgelöste Blockaden des Immunsystems. Dann zielgerichtete Therapien, die ganz spezielle Merkmale eines Tumors erkennen. Oder Kombinationen von Antikörpern mit einer Chemotherapie: Der Antikörper spürt gezielt Krebszellen auf und wird von ihnen aufgenommen. In den Krebszellen wird dann die an ihn gebundene Chemotherapie freigesetzt. „Hier sind in den nächsten Jahren große Fortschritte bei unterschiedlichen Tumorarten zu erwarten“, betont Preusser. Basis ist vielfach die Untersuchung des Tumorgewebes auf genetische Veränderungen, um dann die richtige gezielte Therapie einsetzen zu können. Roboter helfen, Operationen gewebeschonender durchzuführen.
Es gibt aber auch Bereiche, wo die Fortschritte noch nicht so groß sind?
„Leider gibt es Erkrankungen – wie den Krebs der Bauchspeicheldrüse – wo wir noch keine Trendumkehr sehen.“ Ein anderes Beispiel sind bösartige Hirntumore. „Aber auch hier gibt es dank der Forschung Fortschritte.“ Preusser verweist etwa auf erste Daten zu einer neuen Therapie mit Tabletten gegen Gliome, einer speziellen Form von Hirntumoren. „Die Zeitdauer ohne Fortschreiten des Tumorwachstums konnte verlängert werden. Wenn sich das bestätigt, wäre das die erste medikamentöse Therapie gegen einen Hirntumor – bisher hatten wir nur Strahlen- und Chemotherapie.“
Fazit: „Forschung hilft – und nur damit werden wir in Zukunft noch mehr Patientinnen und Patienten helfen können. Und da werden dann auch mRNA-Krebsimpfungen eine wichtige Rolle spielen. “
Neuerkrankungen
In Österreich werden jährlich rund 42.000 Krebserkrankungen neu diagnostiziert. „Tendenziell gehen aber sowohl das Risiko einer Neuerkrankung als auch das Sterblichkeitsrisiko zurück“, heißt es bei der Statistik Austria.
Gesamtzahl
In Österreich leben etwas mehr als 375.000 Menschen mit einer Krebsdiagnose. Knapp die Hälfte davon lebt bereits mehr als zehn Jahre mit Krebs.
130 neue Medikamente
sind in den vergangenen fünf Jahren auf den Markt gekommen. Heimische Wissenschafter haben 2021 in Fachjournalen 724 Originalarbeiten veröffentlicht.
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