Klimawandel verantwortlich für immer mehr "Zecken-Superjahre"
Die 154 FSME-Erkrankten im "Zecken-Superjahr" 2018 bedeuteten einen Höchststand. Dieser wurde 2020 schon Ende dieses Monats übertroffen: Bis zum Stichtag 25. August gab es heuer bereits 205 gemeldete Fälle von Frühsommer-Meningoenzephalitis. Die Patienten leiden an grippeähnlichen Symptomen, teilweise an einer Entzündung von Gehirn oder Hirnhäuten.
Experten befürchten, dass die Zahl der Zecken und damit die von ihnen übertragenen Krankheiten künftig weiter zunehmen werden.
Klimawandel begünstigt Verbreitung
Franz Allerberger, Leiter des Bereichs Humanmedizin in der Agentur für Ernährungssicherheit (AGES), untermauert die Prognose. Der Klimawandel sorge nicht nur für eine zunehmende Vermehrung des Gemeinen Holzbocks, sondern auch dafür, dass sich die subtropische Zeckenart Hyalomma marginatum weiter etablieren werde. Sie wurde in Österreich erstmals im Oktober 2018 in Niederösterreich nachgewiesen, deren Überwinterung dann 2019 von Georg Duscher vom Institut für Parasitologie der Vetmed in Oberösterreich dokumentiert.
Parasiten profitieren von Zunahme von Kleinnagern
Allerberger: "Wir glauben, dass in den kommenden Jahren den von Zecken übertragenen Krankheiten größere Bedeutung zukommen wird, denn einerseits sorgt der Klimawandel mit milderen Wintern für eine Zunahmen der Mäusepopulation", dem wichtigsten Wirt für Zeckenlarven. Und zum zweiten werde ebenfalls der Klimawandel dazu führen, "dass der Fichtenbestand deutlich zurückgehen und jener der Buche ebenso deutlich zunehmen wird", - wobei die Frucht des Baumes, die Buchecker, wiederum Hauptnahrungsquelle für mäuseähnliche Tiere ist. "Je mehr Kleinnager, umso mehr Zecken", lautet die Rechnung - und infolge daher die vermehrte Bedeutung der Krankheiten, die von dem spinnenartigen Tier übertragen werden, die sich im Zuge dieser Entwicklung "explosionsartig" vermehren könnten.
Deutlich mehr Erkrankte
Die bisherige FSME-Saison würde diese Aussage schon in diesem Jahr stützen, denn es gab bis zum Stichtag 25. August bereits 205 gemeldete Fälle von FSME, 2019 waren es an diesem Tag nur 71 von insgesamt 116 Fällen bis zum Jahresende - und selbst im rekordverdächtigen Jahr 2018 gab es zu diesem Zeitpunkt erst 123 von den in dem Jahr insgesamt 154 Fällen. Von so vielen FSME-Fällen, wie noch nie in 35 Berufsjahren, berichtet auch Bettina Pfausler, Leiterin der Neuro-Intensivstation an der Klinik Innsbruck.
Hämorrhagisches Fieber
Tatjana Avsic-Zupanc vom Institut für Mikrobiologie und Immunologie der Universität Ljubljana in Slowenien berichtete auf einer Tagung kürzlich über das sogenannte Krim-Kongo hämorrhagischen Fieber (CCHF). Sie weiß, dass die Krankheit zuerst unbemerkt bleibt und erst ab einer gewissen Virenbelastung ausbreche: "Wir haben das Virus noch nicht bei uns nachgewiesen", aber analog zum West Nil Virus, das in Österreich zwischen 2009 und 2018 in insgesamt 44 Fällen als im Inland erworben bestätigt wurde, könnte CCHF auch hierzulande einmal auftreten. Man müsse daher daran denken, sich darauf vorzubereiten, warnte Parasitologe Duscher.
Wenig Schutzmöglichkeiten
Gegen CCHF gibt es im Gegensatz zu FSME auch keine Impfung, erstgenannte Krankheit würde primär auch Mitarbeiter in Schlachtbetrieben gefährden, da die Zeckenart Hyalomma Rinder auf der Weide infiziere, die dann bei der Schlachtung und Verarbeitung das Virus übertragen können. Jedoch wäre infolge auch das medizinisches Personal gefährdet, denn anfangs wirke CCHF wie ein fieberhafter Infekt, sei aber ansteckend wie Ebola, wenn es zu neuralgischem Fieber kommt.
Borreliose am häufigsten
Keine Impfung gibt es auch gegen die von den heimischen Zecken übertragene Borreliose, jedoch ist die weitaus häufiger. Jede dritte bis vierte Zecke hat laut Duscher diesen bakteriellen Erreger, während FSME eher im Promille-Bereich auftritt, oft auf Flächen von der Größe eines halben Fußballfeldes, erklärte der Virologe. Wenn der Mensch jedoch auf einen frugalen Punkt trifft, dann ist hiermit eine hohe Dichte an Überträger-Zecken gegeben.
Meldepflicht gegenüber der EU ab 2021
Die Borreliose ist wiederum vermeidbar, wenn der Körper rechtzeitig auf Zecken abgesucht und diese fachgerecht entfernt werden, andererseits kann im Falle der Krankheit diese auch mit Antibiotika behandelt werden, jedoch können im negativen Fall Nervensystem und Gelenke geschädigt werden. Die Zeckenzunahme werde in Summe dazu führen, die von ihnen übertragenen Krankheiten ernster zu nehmen, als man dies bisher getan habe. Was bereits 2021 kommen wird, ist die Meldepflicht der Lyme-Borreliose, zu der sich Österreich gegenüber der EU verpflichtet hat.
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