Monatelange Wartezeiten bei Physio- und Ergotherapie sowie Logopädie für Kinder

Ein Bub hat seine Hände für eine ergotherapeutische Übung gefaltet.
Bis zu sieben Monate müssen Kinder und Jugendliche teils auf einen Therapieplatz warten. Abhängig ist dies etwa vom Wohnort.

Nicht alle Kinder in Österreich haben den gleichen Zugang zu Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie – das geht aus dem aktuellen Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit der Österreichischen Kinderliga hervor. "Es hängt vom Wohnort ab, wie gut die Versorgung für Kinder und Jugendliche ist. Außerhalb der Ballungszentren gibt es deutlich weniger Angebote und es gelingt Eltern oft über Monate nicht, einen kostenfreien Therapieplatz für ihr Kind zu finden", betonte Caroline Culen, Geschäftsführerin der Kinderliga, bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. 

Im Schnitt warten Kinder und Jugendliche in Österreich laut Kinderliga sieben Monate auf einen Kassenplatz für Ergotherapie, bei Logopädie sind es durchschnittlich sechs Monate und bei Physiotherapie vier Monate. Culen: "Gerade im Vorschul- und Volksschulalter durchlaufen Kinder wichtige Entwicklungsphasen. Durch die lange Wartezeit werden Chancen vertan, bei Bedarf rechtzeitig einzugreifen", sagte Culen. Wer das nötige Geld hat, könne sich mittels Wahltherapeuten helfen, aber auch hier gebe es zum Teil Wartezeiten. Zudem sei dies "ein Trend, den wir in Österreich nicht möchten", so Culen. 

In der Steiermark ist die Versorgung besonders schlecht

Die Kinderliga analysierte Daten der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), die zeigen, wie viele Therapiestunden in einzelnen Regionen abgerechnet wurden. Bei kassenfinanzierter Ergotherapie ist demnach die Versorgung in der Steiermark und in Vorarlberg besonders schlecht, bei Logopädie schneidet ebenfalls die Steiermark am schlechtesten ab. 

Bei kassenfinanzierter Physiotherapie ortet die Kinderliga in Wien, insbesondere in den Bezirken 11, 15 und 20, Versorgungsmängel sowie etwa in den Bezirken Lilienfeld in Niederösterreich und Oberwart im Burgenland. Die Gründe dafür lägen in historisch gewachsenen Vertrags- und Verrechnungsmöglichkeiten. 

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Erst seit 2021 sind Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie für Kinder und Jugendliche in einem Rahmenvertrag mit der ÖGK enthalten, davor war es nicht in jedem Bundesland möglich, sie als Kassenleistung in Anspruch zu nehmen. "Das ist ein großer Fortschritt und auch die Vernetzung zwischen den Disziplinen ist abrechenbar geworden. Dennoch ist es vielfach nicht möglich, zeitnah Therapieplätze anzubieten", erklärte Marion Hackl, Präsidentin von Ergotherapie Austria,  des Bundesverbandes der Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten Österreichs. Hinzu käme, dass neben den Kindern auch die Eltern mehr begleitende Gespräche bräuchten.

Leichterer Zugang zu Therapieplätzen gefordert

Vertreterinnen von Ergotherapie, Physiotherapie und Logopädie fordern, den Zugang zu Therapieplätzen niederschwelliger zu gestalten. Oft wird ein Förderbedarf im Kindergarten oder der Schule erkannt, dann braucht es derzeit aber eine Verordnung vom Kinderarzt, um einen Kassenplatz zu bekommen. "Würde dieser Weg wegfallen, wäre das für die Eltern eine deutliche Erleichterung", so Hackl. 

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Zudem setzen sich alle drei Fachrichtungen dafür ein, in die Elektronische Gesundheitsakte ELGA einarbeiten zu können, um eine bessere Vernetzung zwischen unterschiedlichen Disziplinen zu ermöglichen. Ebenfalls gefordert wird eine bessere Einbindung in Schulen sowie in den Eltern-Kind-Pass, um Förderbedarf frühzeitig erkennen zu können. Große Erwartungen setzen die drei Fachrichtungen in Primärversorgungszentren.

Eigenes Kinderministerium und eine "Kindermilliarde" sollen helfen

Die Kinderliga fordert neben einer besseren österreichweiten Versorgung mit Physio- und Ergotherapie sowie Logopädie ein eigenes Kinderministerium sowie eine "Kindermilliarde". 

"Armut, psychische Probleme, Gewalt und mangelnde Bildungschancen schränken die Entwicklung der Talente und Ressourcen junger Menschen teilweise dramatisch ein. Nach wie vor gibt es keine Chancengerechtigkeit für Kinder und Jugendliche in Bezug auf Bildung, Gesundheit, Teilhabe und vieles mehr", sagte Christoph Hackspiel, Präsident der Österreichischen Kinderliga.

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