Jedes dritte Kind übergewichtig: Wie langfristiges Abnehmen gelingt
Ein Drittel der Jugendlichen in Österreich ist krankhaft übergewichtig, in mancher Volksschule trifft das auf jedes zweite Kind zu. Das hat langfristige Folgen, übergewichtige Kinder haben etwa ein höheres Risiko für Typ-2-Diabetes sowie für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sie leiden häufig unter Hänseleien bis hin zu Mobbing, Depressionen und geringem Selbstwert.
Der familiäre und mediale Druck, abnehmen zu müssen, kann dabei ebenso schädlich sein, wie das Übergewicht selbst, wie eine Studie der University of Bristol zeigt: Erwachsene, die im Jugendalter häufig damit konfrontiert wurden, abzunehmen, empfinden sich noch 20 Jahre später als weniger attraktiv, weniger kompetent und weniger wertvoll.
Wie geht man es also an, wenn das eigene Kind übergewichtig ist? Das hänge vor allem vom Alter ab, meint Ernährungswissenschaftlerin Verena Kunz. Sie leitet die Initiative Hipteens, die über Workshops, Abnehm-Camps und Online-Angebote mit übergewichtigen Kindern und ihren Eltern arbeitet.
Erste Erfahrungen mit Hänseleien, Diskussionen in der Familie
"Jüngere sind meist motiviert und voller Elan. Ab 14, 15 haben viele aber schon gescheiterte Abnehmversuche hinter sich, vielleicht erste Erfahrungen mit Hänseleien und mit Diskussionen rund um das Gewicht innerhalb der Familie. Sie gehen oft in einen Schutzmechanismus und resignieren", meint Kunz. Sinnvoll sei, nach und nach kleine, aber nachhaltige Veränderungen einzuleiten, etwa statt Chips und Schokolade Obst, Gemüse oder Nüsse als Snack anzubieten und Bewegung in den Alltag einzubauen, etwa mit dem Fahrrad in die Schule zu fahren. "Wichtig ist, nicht alles auf einmal zu ändern, sondern kleine Schritte zu setzen, die nicht überfordern", so Kunz. Das Ziel sei, Gesundheit "wieder cool zu machen".
Dazu brauche es vor allem Unterstützung der Familie. "Viele Eltern warten zu lange bis sie Hilfe suchen und wollen dann nur Ernährungs- oder Trainingspläne für ihre Kinder. Es geht aber darum, einen gesunden Lebensstil zu vermitteln und zu schauen, wie sich das in der Familie langfristig umsetzen lässt", betont Kunz. Oft seien auch die Eltern übergewichtig, das Ändern der Gewohnheiten in der Familie langwierig.
Hipteens
Die Initiative bietet Online-Videos für Eltern und kurze Übungen mit und ohne Kind, die sich in den Alltag integrieren lassen. Sowie ein "Workbook" für Teenager. Ersttermin: 119 Euro
hipteens.at
Enorm in Form
Ein Team von Fachleuten unterstützt Familien bei Gewichtsproblemen von Kindern. Die Kosten übernimmt die ÖGK, die Sporteinheiten kommen auf 75 €/Semester.
gesundheitskasse.at, Telefonische Infos: 050766/113838
Die Rolle der Eltern
Kinderärztin Gabriele Berger schreibt den Eltern ebenfalls große Bedeutung zu. Sie betreut im Gesundheitszentrum Floridsdorf jedes Semester rund 70 Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren bei "Enorm in Form", einem fünfmonatigen Programm der Österreichischen Gesundheitskasse ÖGK. Beginn ist jeweils mit dem Schulsemester. Altersentsprechend wird nach einer medizinischen Untersuchung versucht, den Kindern und Jugendlichen gesunde Ernährung, die Rolle von Bewegung und Sport sowie soziale Kompetenzen zu vermitteln. Letztere sollen ihnen helfen, ihr Selbstbewusstsein zu stärken und etwa mit Mobbing umzugehen.
Und auch die Eltern werden beraten. "Angst oder Drohungen bewirken nur ein kurzfristiges Vermeiden, aber keine langfristige Entwicklung positiver Verhaltensstrategien. Indem man versucht, Kinder und Jugendliche zu stärken und zu motivieren, entsteht das nachhaltige Gefühl 'Ich kann etwas erreichen'", sagt Berger. Es gehe weniger darum, mit Crash-Diäten möglichst viele Kilos zu verlieren, sondern darum, nachhaltige Veränderungen zu bewirken.
Zweimal pro Woche nehmen die Jugendlichen an einem Bewegungsprogramm teil, können ohne Leistungsanspruch Sportarten ausprobieren. In Psychotherapieeinheiten wird daran gearbeitet, den Selbstwert zu steigern und Selbstwirksamkeit zu erleben. "Wenn die Kinder und Jugendlichen in der Abschlussuntersuchung dann unseren Pokal bekommen, freuen sie sich sehr, dass sie es geschafft haben", beschreibt Berger. "Und ich freue mich mit ihnen mit."
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