Fettleibigkeit: Das dicke Ende kommt noch
Jubiläen und Gedenktage können etwas Schönes sein – ein Anlass, sich zu freuen. Doch wenn am Montag Ernährungsexperten, Ärzte, Selbsthilfegruppen und andere an den „Welt-Adipositas-Tag 2024“ erinnern, besteht kein Grund zu feiern
Im Gegenteil: Seit 1990 hat sich die Zahl der Übergewichtigen weltweit mehr als verdoppelt, berichtet die Fachzeitschrift The Lancet.
Es kann nicht überraschen, dass sich die Zivilisationskrankheit auch hierzulande massiv ausbreitet: Laut der Österreichischen Gesundheitskasse – mit 7,5 Millionen Kunden der größte Krankenversicherer des Landes – gilt mittlerweile mehr als die Hälfte aller Erwachsenen als übergewichtig oder adipös.
Nicht viel besser ist die Situation bei Kindern und Jugendlichen: So hat eine im Auftrag des Wiener Wirtschaftskreises erstellte Studie ergeben, dass in Wiener Volksschulen vier von zehn Kindern übergewichtig oder adipös sind; österreichweit wird der Wert der fettleibigen Jugendlichen (10 bis 19 Jahre) bei einem Drittel angesetzt.
Warum interessiert sich die Wirtschaftskammer für das Thema? Das hat damit zu tun, dass Adipositas in vielerlei Hinsicht eine Belastung darstellt.
Zum einen verschlechtert die Zivilisationskrankheit Gesundheit und Lebensqualität der Betroffenen.
Übergewichtige müssen öfter zum Arzt, benötigen mehr Medikamente und sind länger im Krankenhaus. Im Job werden sie öfter und schneller berufsunfähig und haben später höhere Pflegekosten.
Abgesehen vom subjektiven Leid wird die Wirtschaftsleistung erheblich in Mitleidenschaft gezogen.
Dazu nur eine Zahl: Laut OECD wird Österreichs BIP bis 2050 allein durch die direkten und indirekten Kosten von Fettleibigkeit rund zehn Milliarden (!) Euro verlieren – und zwar pro Jahr. Der Befund ist also ernüchternd.
Doch wie kann man ihm begegnen? Wie sieht bei Kindern und Jugendlichen die wirksame Therapie aus?
Das Gesundheitsministerium betrachtet Übergewicht bei Kindern als eine der „größten gesundheitspolitischen Herausforderungen“ überhaupt. Bei den Gegenmaßnahmen bleibt man eher allgemein. So verweist das Ressort auf „zahlreiche Maßnahmen, Strategien und Projekte“, die man umgesetzt habe. Und weiter: „Im Rahmen des Finanzausgleichs wurde mit Bundesländern und Sozialversicherung vereinbart, zukünftig vermehrt auf Prävention und Gesundheitsförderung zu setzen, in diesem Rahmen wurde etwa die Fortführung der ‚Frühen Hilfen‘ vereinbart. An weiteren konkreten Maßnahmen wird gearbeitet.“
Experten betrachten Ankündigungen wie diese mittlerweile als sanfte Provokation. „Pläne und Guidelines haben wir in ausreichender Zahl“, sagt Kurt Widhalm. Man müsse endlich ins Tun kommen.
Auch der frühere Chef des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger und designierte Generaldirektor der Sozialversicherung der Selbstständigen, Alexander Biach, wünscht sich einen nationalen Kraftakt: „Maßnahmen wie die tägliche Turnstunde müssen rasch und flächendeckend ausgerollt werden“, sagt Biach zum KURIER. Zudem gelte es, die Jugendlichen „wieder in die Sportvereine zu bekommen“. Biach: „Letztlich beginnt alles damit, dass man Kindern und Jugendlichen Begeisterung für Bewegung vermittelt. Mit Foldern oder Plakaten in Schulgebäuden gelingt das sicher nicht.“
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