Sie berichtet, dass Adipositas-Betroffene sich bei Arztbesuchen häufig nicht ernstgenommen fühlen, da Symptome häufig rein auf das Gewicht zurückgeführt werden. Andersen ergänzt mit einer Kindheitserinnerung: „Ein Satz ist in meiner Familie häufig gefallen - ‚Es ist schon genug, denk an dein Bäuchlein‘. Ich habe in Folge meine erste Diät im Alter von zwölf Jahren gemacht“.
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Körper und Psyche wirken wechselseitig aufeinander
Studienleiter Kautzky erklärt, wie Adipositas und psychische Erkrankungen Korrelationen aufweisen, die sogar durch präzise Blutuntersuchungen nachweisbar sind: „Wenn unsere Zellen mit übermäßiger Energiezufuhr konfrontiert werden, entsteht Zellstress und Entzündungsreaktionen treten ein. Das könnte ein Risikofaktor etwa für Depressionen sein. Denn auch hier sind Entzündungen im Körper messbar.“
Eine weitere Wechselwirkung betrifft die Ernährung. „Die Appetitregulation im Hirn ist eng mit dem limbischen System verbunden, in dem Botenstoffe wie das sogenannte ‚Glückshormon‘ Dopamin ausgeschüttet wird. Es zeigt sich, dass Menschen mit Adipositas für die gleiche Menge ausgeschüttetem Dopamin mehr Nahrung benötigen als Normalgewichtige. Wir wissen auch, dass ein Mangel an Dopamin zu den Ursachen einer Depression zählt“, erklärt Winhofer-Stöckl.
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Kautzky führt weiter aus, dass Ernährung einen starken Einfluss auf die Psyche hat – direkt und über das Mikrobiom im Darm. So werden bestimmte Darmbakterien beispielsweise mit erhöhtem Stress und Depressionen assoziiert. „Schlechte Ernährung kann die psychische Gesundheit beeinträchtigen. Wer von einer psychischen Erkrankung betroffen ist, neigt jedoch zur Vernachlässigung gesunder Ernährungsgewohnheiten. Eine Spirale entsteht, in der sich Erkrankungen wie die Adipositas wiederfinden“, erklärt Kautzky.
Warum der Tipp "mehr Sport" nicht funktioniert
Adipositas ist eine chronische Stoffwechselerkrankung, die zu zahlreichen Folge- und Begleiterkrankungen führen kann. „Gerade wenn sich bereits Folgeerkrankungen mechanischer Natur manifestiert haben, führt das für Betroffene zu einer starken psychischen Belastung im Alltag“, führt Winhofer-Stöckl an.
Andersen bestätigt dies und berichtet von zunehmendem sozialen Rückzug und Isolation: „Es ist mit sehr viel Scham verbunden, wenn man bemerkt, dass man etwa beim Wanderausflug mit Freunden einfach nicht mithalten kann, schwer Luft bekommt und schwitzt“.
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Kautzky weist hier auf eine weitere Abwärtsspirale hin: „Die sportliche Betätigung ist zunehmend schwierig, Bewegung wird aber präventiv gegen Depressionen empfohlen. Gleichzeitig ist Fakt, dass sich Menschen mit Depressionen weniger bewegen – was wiederum das Risiko für metabolische Erkrankungen erhöht“.
Expertin kritisiert fehlende Nachsorge nach Adipositas-OP
„Aktuell gibt es zu wenige Anlaufstellen zur psychologischen Behandlung von Adipositas-Betroffenen. Das wird mit der steigenden Patient:innenzahl zunehmend zum Problem“, warnt Winhofer-Stöckl. Andersen, die sich vor 17 Jahren einer Magenbypass-Operation unterzogen hat, kritisiert die fehlende psychologische Nachsorge nach der Adipositas-Chirurgie: „Vor der OP wird ein psychologisches Gutachten verlangt, danach jedoch sind wir Betroffenen ganz auf uns allein gestellt“.
In Anbetracht der Ergebnisse seiner Studie fordert Kautzky: „Die wichtigste Botschaft der Studie ist, dass bei Adipositas frühzeitig ein Screening auf psychische Erkrankungen passieren muss“. Er identifiziert eine Versorgungslücke, die es zu schließen gilt: „Umgekehrt ist das bereits verankert: Bei psychiatrischen Erkrankungen empfehlen die Guidelines, auf metabolische Probleme zu achten.“
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