Intervallfasten: Erhöhen Esspausen das Sterberisiko?

Ein Teller mit Salat vor einer Uhr.
Neuesten Forschungen zufolge erhöht Intervallfasten das Risiko, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben, um 91 Prozent. Unbeteiligte Fachleute sehen die Ergebnisse kritisch.

Beim Intervallfasten, auch intermittierendes Fasten genannt, verzichten Fastende freiwillig tage- oder stundenweise auf Nahrung.

Neben dem Effekt der Gewichtsreduktion werden der Fastenform auch verschiedene gesundheitsfördernde Wirkungen zugeschrieben. Verfechter bescheinigen dem Essverhalten etwa einen positiven Effekt auf das Selbstreinigungspotenzial der Zellen. Auch Schlafqualität und Stimmung sollen verbessert werden. Zudem soll Intervallfasten Alterungsprozesse abmildern, sowie die kognitive und körperliche Leistungsfähigkeit antreiben.

Gute Langzeitstudien zum Intervallfasten unter Menschen fehlen allerdings. Langfristige Vorteile konnten demnach bislang wissenschaftlich nicht eindeutig belegt werden. Vielmehr macht eine neue Studie nun auf die potenziell schädlichen Auswirkungen des Intervallfastens aufmerksam.

Erhöhen Esspausen das Risiko, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben?

Konkret kamen Forschende der Shanghai Jiao Tong University School of Medicine zu dem Ergebnis, dass Personen, die im Intervall fasten, ein 91 Prozent höheres Risiko haben, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben. Die neuen Erkenntnisse werden in Kürze auf einem Kongress der US-amerikanischen Herzgesellschaft vorgestellt, der von 18. bis 21. März in Chicago stattfindet.

Die Forschenden untersuchten die Essgewohnheiten von über 20.000 US-Amerikanerinnen und -Amerikanern. Dabei verwendeten sie Daten von über 20-Jährigen, die zwischen 2003 und 2018 an den National Health and Nutrition Examination Surveys (NHANES) teilnahmen. Durchschnittlich wurden die Teilnehmenden acht Jahre lang beobachtet und mit den Daten des National Death Index abgeglichen. Der National Death Index ermöglicht es Forschenden, den Todesstatus oder die Todesursache für Todesfälle von Bürgerinnen und Bürgern in den USA zu ermitteln.

Die Ergebnisse sollen laut den Forschenden zeigen, dass Personen, die täglich innerhalb eines Zeitfensters von acht Stunden oder weniger essen, ein um 91 Prozent gesteigertes Risiko haben, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu versterben. Leiden Personen bereits an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung und essen in weniger als zehn Stunden pro Tag, sei dieses Risiko 66 Prozent höher. Ebenso sei das Risiko an Krebs zu sterben geringer, wenn der Zeitraum der Essensaufnahme mehr als 16 Stunden pro Tag beträgt. Das Gesamtrisiko zu Sterben, wurde bei Personen, die Intervallfasten betreiben, allerdings nicht höher.

Fachleute beäugen Ergebnisse mit Skepsis

Unbeteiligte Fachleute sehen die Ergebnisse kritisch. So seien epidemiologische Studien grundsätzlich nicht brauchbar, um die Effekte des intermittierenden Fastens zu erheben, gibt Andreas Michalsen, Chefarzt der Abteilung Naturheilkunde im Immanuel Krankenhaus Berlin, zu bedenken. "Am meisten irritiert, dass eine Beobachtungsdauer von acht bis elf Jahren vorliegt. TRE (time-restricted eating, in Deutsch Intermittierendes Fasten; Anm.) ist allerdings erst seit etwa drei bis fünf Jahren eine häufigere Praxis. Es muss also davon ausgegangen werden, dass andere Gründe vorlagen, Mahlzeiten wegzulassen", sagt Michalsen, der auch Inhaber der Stiftungsprofessur für klinische Naturheilkunde an der Berliner Charité ist. 

Dabei seien gerade die Gründe, warum Mahlzeiten weggelassen werden, von großem Interesse: "Möglicherweise wurde das Frühstück aufgrund von Zeitmangel, Schlafstörungen oder anderen Stressoren weggelassen. Auch Erkrankungen können Essensmodalitäten einschränken und verändern." Auch Angaben darüber, welche Mahlzeiten ausgelassen wurden, seien essenziell. Das Auslassen des Frühstücks könne bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen "zu 'Völlerei' am Abend führen, was ungünstig ist".

Auch laut Tilman Kühn, Professor für Public Health Nutrition an der MedUni Wien, lassen die verwendeten Daten keine Rückschlüsse auf die Folgen des Intervallfastens zu. Zwar sei die herangezogene Langzeitstudie solide, "es gibt dort nur leider keine Erfassung des Intervallfastens". Reine Zeitangaben für die Nahrungszufuhr an einzelnen Tagen seien dafür nur sehr eingeschränkt geeignet. "Die Ergebnisse beweisen nicht, dass Intervallfasten das Mortalitätsrisiko erhöht", sagt Kühn. "Sie zeigen nur, dass Personen, die an zwei zufällig ausgewählten Tagen ihre Mahlzeiten innerhalb von weniger als acht Stunden verzehrten und in der Folge ein höheres Risiko dafür hatten, an einer kardiovaskulären Ursache zu versterben."

Allerdings, auch das betont Kühn, seien auch die Vorteile des Festens im Intervall nicht belegt: "Weder langfristige Vor- noch Nachteile sind wissenschaftlich belegt."

Aus der vorliegenden Analyse ursächliche Schlüsse zu ziehen, hält jedenfalls auch Stefan Kabisch, Experte für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin, für fahrlässig: "Intervallfasten wird oft von Menschen als Versuch unternommen, bereits zu Studienbeginn bestehende Risikokonstellationen, wie beispielsweise Adipositas und Diabetes, zu behandeln." Sowohl Adipositas als auch Diabetes würden wiederum kardiovaskuläre Erkrankungen und Krebs fördern – "und können damit viel eher für die Sterblichkeit ursächlich sein als das Intervallfasten".

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