Bei einem plötzlichen Hörverlust ohne erkennbare Ursache, dem sogenannten Hörsturz, wird häufig medikamentös mit entzündungshemmenden Glukokortikoiden behandelt, die dem körpereigenen Kortison ähneln. „Bisher hat man vermutet, dass eine sehr hohe Dosis von Glukokortikoiden über einen kurzen Zeitraum insgesamt besser wirkt. Wir haben die Effekte einer solchen Behandlungsstrategie in der aktuellen Studie erstmals systematisch untersucht, mit der Standardtherapie verglichen und konnten dabei so viele Betroffene berücksichtigen wie noch nie“, erklärt Prof. Dr. Stefan Plontke, Studienleiter und Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie an der Universitätsmedizin Halle.
Für die Studie wurden aus ganz Deutschland 325 Patienten und Patientinnen in 39 Behandlungszentren auf drei Gruppen aufgeteilt: Eine Gruppe erhielt die bisherige Standardtherapie mit Glukokortikoiden, zwei Gruppen eine deutlich höhere Dosierung. Anschließend hat man untersucht, inwiefern sich das Gehör nach 30 Tagen verbessert hat und welche Beschwerden auftraten.
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Überraschende Ergebnisse lassen Zweifel an bisherigen Behandlungsmethoden aufkommen
„Eine höhere Dosis von Glukokortikoiden zeigte keine besseren Therapieerfolge gegenüber der Standardtherapie. Allerdings traten mögliche Nebenwirkungen wie beispielsweise erhöhte Blutzuckerwerte oder eine Verschlechterung des Bluthochdrucks häufiger auf“, fasst Plontke die Ergebnisse zusammen. Trotz sofortiger Therapie mit Glukokortikoiden bestanden in allen Gruppen bei den meisten Personen weiterhin Defizite.
Selbst in der Gruppe mit der Standardtherapie, die nach 30 Tagen am besten abgeschnitten hatte, war bei 60 Prozent der Personen keine vollständige Besserung eingetreten. „Obwohl diese Medikamente seit 50 Jahren weltweit in der Hörsturz-Erstbehandlung zum Einsatz kommen, gibt es keinen belastbaren wissenschaftlichen Beweis für die Wirksamkeit. Ob die Therapie mit Glukokortikoiden wirksam, unwirksam oder schlechter als ein Placebo ist, müsste nun in einer Folgestudie untersucht werden“, erklärt Plontke. Grundsätzlich werden dringend weitere neue medikamentöse Therapiemöglichkeiten bei Hörsturz benötigt, so der Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde.
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"Aktuell gibt es kein Medikament, das spezifisch für die Hörsturz-Therapie zugelassen ist"
Die Studie werfe in der Fachwelt einige Fragen zum bisherigen Behandlungsstandard auf. „Aktuell gibt es kein Medikament, das spezifisch für die Hörsturz-Therapie zugelassen ist. Wir brauchen dringend mehr belastbare Daten, um Hörsturz-Betroffene wirksam zu behandeln“, betont Prof. Dr. Stephan Lang, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e.V.
Die Ergebnisse wurden nun im Fachjournal „NEJM Evidence“ publiziert. Zur kommenden Jahrestagung der Fachgesellschaft im Frühjahr 2024 werden die Studienergebnisse und deren Bedeutung für den Praxisalltag diskutiert. „Ich bin gespannt, wie diese Ergebnisse aufgenommen werden“, so Lang.
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Ursachen für Hörsturz sind oft unbekannt
Weltweit sind 360 Millionen Menschen von einer Innenohrschwerhörigkeit betroffen. Eine häufige Ursache dafür ist ein Hörsturz, der plötzlich und ohne erkennbare Gründe auftritt. Oft ist nur ein Ohr beeinträchtigt, aber Ausmaß des Hörverlustes und Begleiterscheinungen wie Tinnitus und Schwindel können sich stark unterscheiden.
Damit das Medikament in Tablettenform oder als Infusion in ausreichenden Mengen an den gewünschten Wirkort im Innenohr gelangt, wird es standardmäßig bereits in relativ hohen Dosierungen verabreicht. Alternativ können die Wirkstoffe auch hinter das Trommelfell gespritzt werden.
Aktuell wird nach Betroffenen gesucht, die an einer Studie mit einem neuen Wirkstoff teilnehmen. Alle Infos dazu hier.
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