Hirschhausen im TV: Wieder Aufregung um Blutwäsche gegen Long Covid
Antriebslosigkeit, tiefe Erschöpfung und Müdigkeit, bis hin zu Depressionen: Viele Genesene leiden auch Monate nach einer Covid-Erkrankung noch an schweren Beeinträchtigungen, die ihnen einen geregelten Alltag unmöglich machen, geschweige denn ihren Beruf zu bewerkstelligen. Kein Wunder, dass sich die Betroffenen auf die Suche nach Möglichkeiten zur Verbesserung ihrer körperlichen Verfassung begeben. Nun polarisiert der populäre deutsche TV-Moderator Eckart von Hirschhausen, selbst Mediziner, erneut mit einer in Fachkreisen umstrittenen, weil nicht ausreichend erforschten Therapie, der sogenannten Lipid-Apherese. Die Sendung wird am heutigen Montag, 17. Oktober 2022 auf ARD ausgestrahlt und ist auch in der ARD-Mediathek zu sehen. Seriöse Mediziner und Forscher warnen allerdings sogar vor dem Verfahren, berichten Süddeutsche und NDR.
Blutwäsche
Vereinfacht gesagt, handelt es sich bei der Apherese um eine Art von Blutwäsche: Das Blut (bzw. Teile davon) des Patienten wird aus einem Arm herausgeleitet, durch eine Maschine geschleust und über den anderen Arm wieder in den Körper transportiert. Während dieses Vorgangs wird das Blut, ähnlich wie bei einer Dialyse, von bestimmten Stoffen gereinigt. Allerdings geht es nicht darum, wie bei einer Dialyse die Funktion geschädigter Nieren zu übernehmen. Im Fall von Long Covid sollen kleinste Mikro-Blutgerinnsel aufgelöst werden. Denn diese "micro-clots" sind für die Symptome von Long Covid relevant, so die Theorie.
Ein weiterer Unterschied zur Dialyse ist allerdings, dass nicht das gesamte Blut, sondern nur bestimmte Teile gefiltert werden - und das ist ein höchst komplexes Verfahren, das mehrere Stunden in Anspruch nimmt. Und darüber hinaus viel Geld kostet. Laut einem Bericht des renommierten British Medical Journal fallen bei mehreren Behandlungen in Spezialkliniken Kosten von bis zu 15.000 Euro an. Diese sind selbst zu bezahlen, da es sich um keine anerkannte Therapie handelt.
Entwickelt wurde die Therapie nur für spezielle Krankheitsbilder, etwa um bei stark erhöhten Blutfettwerten diese bei Risikopatienten zu reduzieren.
Behandlungsberichte
Wer sich allerdings nach alternativen Behandlungsmethoden bei Long Covid-Beschwerden im Internet umschaut, stößt dennoch relativ rasch auf die Apherese. Obwohl etliche Betroffene von Behandlungserfolgen berichten, wodurch sie sich wieder besser im Alltag zurechtfanden, warnen Experten davor. Die Long Covid-Expertin Carmen Scheibenbogen von der Berliner Charité sagte in der Süddeutschen: "Es gibt zwar Hinweise, dass auch kleine Gerinnsel damit entfernt werden können, aber bislang keine sicheren Belege, dass sie Patienten mit Long Covid hilft." Auch im offiziellen Leitfaden zur Long Covid- und Post Covid-Behandlung in Deutschland wird derzeit "dringend" von einer Anwendung abgeraten.
Studien fehlen
Auch in anderen europäischen Ländern sind Mediziner skeptisch. Einzelne Behandlungserfolge sind nicht mit Studien nach wissenschaftlichen Kriterien vergleichbar. "Ich bin besorgt, dass diesen Patienten Therapien angeboten werden, die nicht mit modernen wissenschaftlichen Methoden, das heißt in gut konzipierten klinischen Studien, bewertet wurden", sagte Beverley Hunt, medizinische Leiterin der Wohltätigkeitsorganisation Thrombosis UK. "In dieser Situation kann die Behandlung ihnen nützen oder auch nicht, aber sie birgt auch das Risiko von Schäden." Allerdings, wird im BMJ betont, sei Forschung notwendig, um zu verstehen, wie die Mikro-Blutgerinnsel die Long Covid-Symptome auslösen. Sie könnten etwa ein Biomarker für bestimmte Krankheiten sein, das wisse man aber nicht genau, sagt der Blutgefäßexperte Robert Ariens von der University of Leeds in Großbritannien. Zuerst müssten jene Mechanismen erforscht werden, aufgrund deren sich die Blutgerinnsel bilden. "Wenn wir nicht wissen, wie sie sich bilden, können wir nicht sagen, dass diese Behandlungsmethode die Gerinnselbildung stoppen wird."
Bereits im Juni 2022 hatte die deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) in ihren Richtlinien betont, dass sie keine Empfehlung für Apherese geben könne, bis wissenschaftliche Daten den Nutzen zeigen.
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