Neue Netflix-Doku steigert Nachfrage nach Darmtests: Was sie können
Noch immer ist die Verdauung für viele ein Tabuthema, langsam rücken der Darm und die Bakterien, die ihn besiedeln, jedoch in den Fokus. Zahlreiche Studien zeigen, dass die individuelle Zusammensetzung des Mikrobioms, die rund 39 Billionen Bakterien im Darm, auch bekannt als Darmflora, eine wichtige Rolle für unsere Gesundheit spielen. Ihre Zusammensetzung ist einzigartig und vergleichbar mit dem Fingerabdruck. Viele der Bakterienarten im Darm sind noch nicht erforscht, bei anderen konnten Zusammenhänge mit dem Immunsystem, mit dem Gemütszustand, mit Fettleibigkeit oder mit Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson festgestellt werden.
Die neue Netflix-Doku "Hack your Health: Die Geheimnisse der Verdauung" geht den Bakterien im Darm auf die Spur – die deutsche Gastroenterologin Giulia Enders, deren Bestseller "Darm mit Charme" mehr als vier Millionen Mal verkauft wurde, erklärt gemeinsam mit internationalen Expertinnen und Experten, wie sich die Darmflora zusammensetzt und funktioniert. "Wir schämen uns oft für unseren Darm, dabei beeinflusst er so viele Aspekte unserer Gesundheit. Wie wir uns fühlen, ob wir übergewichtig sind oder nicht, welche Krankheiten wir bekommen können, wie unser Immunsystem trainiert wird. Er bestimmt den Verlauf unseres Lebens", sagt Enders in der Dokumentation.
Verwendet wird ein Testkit, mit dem die Zusammensetzung der Bakterien analysiert wird
Neben Wissenschaftern kommen vier sehr unterschiedliche Personen zu Wort, die unter Darmproblemen leiden und im Lauf der Doku ihr Mikrobiom analysieren lassen, darunter der Japaner Kobi, der regelmäßig an Hotdog-Wettessen teilnimmt und seither kein natürliches Hungergefühl mehr empfindet, oder die Amerikanerin Kimmie, die zahlreiche erfolglose Abnehmversuche hinter sich hat. Die vier nutzen ein Testkit, bei dem sie eine Stuhlprobe abgeben, die dann in einem Labor untersucht und ausgewertet wird. Dieses Verfahren ist nicht neu – in Österreich wird es etwa von Biome Diagnostics angeboten. Für rund 150 Euro erhält man auf Basis einer Stuhlprobe eine rund 40-seitige Auswertung des eigenen Mikrobioms sowie darauf abgestimmte Ernährungsempfehlungen, die die Bakterienzusammensetzung verbessern sollen.
Netflix-Doku verzehnfachte Nachfrage nach Mikrobiom-Testkits
Seit dem Start der Netflix-Doku hat sich die Nachfrage nach dem "myBioma"-Testkit verzehnfacht, sagt Barbara Sladek, die das mehrfach ausgezeichnete Start-up gemeinsam mit dem Mediziner Nikolaus Gasche gründete. "In einer Stuhlprobe sind ein bis zwei Millionen Bakterien, die wir hochrechnen können und deren DNA wir sequenzieren und mit der Datenbank aller bisher bekannten Bakterien abgleichen. Man kann um die 1.500 Bakterienarten nachweisen. Im Schnitt findet man beim Durchschnittsösterreicher rund 400 bis 600 unterschiedliche Bakterienarten", erklärt Sladek.
Man erfährt also, wie artenreich die Bakterien im eigenen Darm sind und wie sie verteilt sind. In der Auswertung ersichtlich ist zudem, für welche der gefundenen Bakterien bisher Zusammenhänge mit bestimmten Organen gefunden wurden, etwa die "Darm-Hirn-Achse" oder die "Darm-Haut-Achse". "Viele Hautprobleme haben ihren Ursprung im Darm. Viele kennen etwa, dass wenn sie viel Schokolade essen, sie Pickel bekommen können. Man kann mit Ernährung sehr viel steuern, das Mikrobiom ist aber ein Ökosystem – es ist fast unmöglich, nur ein einziges Bakterium zu beeinflussen, man beeinflusst immer das gesamte Mikrobiom", betont Sladek.
Wir sollten mindestens 20 bis 30 verschiedene Obst- und Gemüsesorten pro Woche essen
Sie empfiehlt generell, möglichst vielfältig zu essen – ein Tipp, der auch in der Doku gegeben wird, ist mindestens 20 bis 30 verschiedene Obst- und Gemüsesorten pro Woche zu essen. Außerdem sollte man versuchen, nicht immer das Gleiche oder die gleichen Produkte auf dem Speiseplan zu haben, sondern möglichst zu variieren, zum Beispiel auch einmal das Joghurt eines anderen Herstellers auszuprobieren, rät Sladek. Intervallfasten, das heißt Pausen für den Darm, in denen man mindestens zehn Stunden am Stück nichts isst, kann ebenfalls förderlich sein.
Die Biochemikerin vergleicht den Test mit einer Gesundenuntersuchung. "Man kann das Darmmikrobiom natürlich auch ohne den Test positiv beeinflussen, etwa durch eine vielfältige Ernährung, ausreichend Schlaf, wenig Stress und ähnliche Faktoren. Wenn man aber wissen möchte, wie der Status quo ist, wo man vielleicht etwas verbessern kann, ist es sinnvoll, auch einmal auf den Darm zu schauen. Oder auch, wenn man Beschwerden hat und nicht weiß, woher sie kommen", sagt Sladek.
Der Darm ist ein "Superorgan"
Der Kritik, dass man großteils "nur" Ernährungsempfehlungen aus den Ergebnissen einer Mikrobiomanalyse ableiten kann, kann sie nicht viel abgewinnen. "Wir zeigen auch, wie man die Empfehlungen in den Alltag integrieren kann und haben ein großes Beratungsnetzwerk aus Medizinern und Diätologen, mit denen man das Ergebnis durchbesprechen kann. Unsere Auswertung ist zudem wissenschaftlich fundiert. Wir sind an einigen Studien, etwa im Bereich Darmkrebs, beteiligt", so Sladek.
Vieles sei schlicht noch nicht bekannt. So wurde etwa festgestellt, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Mikrobiom und Alzheimer gibt – viele später Betroffene leiden etwa zehn Jahre zuvor unter Verstopfung. Man könne aber noch nicht sagen, welche Bakterien tatsächlich an der Entstehung der Erkrankung beteiligt sind. Sladek: "So weit sind wir noch nicht, das wird noch erforscht. Es wird aber immer klarer, dass der Darm ein Superorgan ist, das an vielen Prozessen im Körper beteiligt ist."
Kommentare