3 große Irrtümer über Gürtelrose - viele Schlaganfälle wären vermeidbar

Frau leidet unter Rückenschmerzen
Jeder Dritte erkrankt im Laufe seines Lebens an Gürtelrose. Es gibt zwar eine Impfung, doch die wird nicht von den Kassen bezahlt. Dadurch wären gefährliche Folgeerkrankungen vermeidbar.

Obwohl fast jeder den Begriff Gürtelrose kennt und mehr als 99 Prozent der Erwachsenen das Virus in sich tragen, gibt es nach wie vor große Irrtümer über die schmerzhafte Nervenerkrankung. Das offenbarte eine aktuelle, weltweite Umfrage von GSK, die in 12 Ländern mit Personen ab 50 Jahren (n=3.500) durchgeführt wurde.  

Für Österreich geht man von 30.000 bis 40.000 Fällen pro Jahr aus. Eine Impfung gegen Gürtelrose ist seit fast zwei Jahren in Österreich verfügbar und sogar im österreichischen Impfplan für alle Erwachsenen ab 50 Jahren sowie für Menschen mit bestimmten Grunderkrankungen ab 18 Jahren empfohlen. Doch im Gegensatz zu Ländern wie Deutschland, Schweiz, Italien und Spanien werden die Kosten in Österreich nicht von den Krankenkassen übernommen

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Ein Umstand, der viele von der Impfung abhält, wie eine weitere Umfrage in Österreich zeigt. Und das führt zu gravierenden Auswirkungen und steigenden Belastungen für das heimische Gesundheitssystem - das macht eine Economica-Studie deutlich: Schon jetzt verursacht Gürtelrose jährlich rund 20.000 Spitalsbelagstage. Dazu kommt das Risiko für schwerwiegende Folgeerkrankungen, wie Molekularbiologin Priv.-Doz. Andrea Pitzschke weiter unten erklärt.

Als eine der meistgesuchten Krankheiten bei Google ist das Interesse der Öffentlichkeit an Gürtelrose zwar groß, aber die GSK-Umfragedaten deuten darauf hin, dass viele Erwachsene ab 50 Jahren wichtige Aspekte der Krankheit grundlegend missverstehen, einschließlich der Frage, wie sie ausgelöst werden kann.

Die Top-3 Missverständnisse

  • 55 Prozent der Befragten glauben, dass "man sich bei jemandem mit Gürtelrose anstecken kann". 
    Der Inhalt der Bläschen einer Gürtelrose ist zwar prinzipiell ansteckend, allerdings erkrankt man dann an Windpocken, falls man diese noch nicht durchgemacht hat. Windpocken und Gürtelrose werden nämlich durch dasselbe Virus verursacht. Nach der Erstinfektion (=Windpocken) verbleibt das Virus im Körper und kann später reaktiviert werden und Gürtelrose verursachen. Gründe dafür sind zunehmendes Alter oder eine sonstige Immunschwäche. 
  • Fast 50 Prozent der Befragten glauben, dass "man sich bei jemandem mit Windpocken mit Gürtelrose anstecken kann“.
    Jemand, der noch nie Windpocken hatte, kann sich mit dem Virus anstecken und an Windpocken erkranken - jedoch nicht an Gürtelrose. Diese wird ausschließlich durch eine Reaktivierung des schon im Körper befindlichen Virus ausgelöst. 
  • 39 Prozent der Befragten glauben, dass "man keine Gürtelrose bekommen kann, wenn man bereits eine Gürtelrose hatte".
    Fast alle Erwachsenen ab etwa 50 Jahren sind bereits mit dem Virus infiziert, das Gürtelrose auslöst. Die Mehrheit der Menschen, die eine Gürtelrose entwickeln, erkranken nur einmal; es ist jedoch möglich, mehrmals im Leben eine Gürtelrose zu entwickeln. 

Experten rechnen mit steigenden Fallzahlen - und damit auch mit mehr Hospitalisierungen

Die jüngst publizierte Studie "Ökonomische Effekte der Herpes-Zoster-Impfung in Österreich" des Economica Instituts für Wirtschaftsforschung zeigt klar auf, dass der demographische Wandel einen Anstieg von Gürtelrose-Erkrankungen sowie steigende Gesundheitskosten mit sich bringen wird: Zwischen 2022 und 2040 erhöht sich die Zahl der Personen im Alter von über 50 Jahren voraussichtlich um 509.000. Das bedeutet, dass die Risikogruppe für Herpes Zoster um 13,5 Prozent wächst.

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"Angesichts der Schwere der Erkrankung ist mit deutlich mehr Hospitalisierungen zu rechnen", warnt Wirtschaftsforscher Univ.-Prof. Christian Helmenstein. "Das Gesundheitssystem stößt jetzt bereits an seine Grenzen. Durch die steigenden Fallzahlen an Gürtelrose- Erkrankungen und das gleichzeitige Schrumpfen auf der Finanzierungsseite ergibt sich eine Doppelbelastung für das Gesundheitsbudget."

Hautausschlag einer Gürtelrose.

Bei der Gürtelrose kommt es meist zu einem typischen einseitigen Hautausschlag.

Jährlich 2.400 stationäre Patienten in Krankenhäusern

"Welchen Nutzen eine Impfung für Österreich hätte, lässt sich nicht zuletzt aus den Kosten ableiten, die Herpes Zoster in den heimischen Krankenhäusern verursacht", so Helmenstein. Laut Krankenhausdaten der Statistik Austria wurden im Jahr 2019 über 2.400 Patientinnen und Patienten stationär mit einer Hauptdiagnose aus dem ICD B02 (Herpes Zoster) behandelt. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer betrug 8,3 Tage. Somit verursacht Gürtelrose fast 20.000 Spitalsbelagstage jährlich. Dazu kommen die (nicht erfassten) Kosten der ambulanten Behandlung und der Krankenstände.

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"Das könnte durch gezielte Prävention verhindert werden", meint Helmenstein, "also konkret durch eine Übernahme der Kosten für die Gürtelrose-Impfung. Aus Sicht der Bevölkerung ab 50 Jahren würde eine solche Kostenübernahme eine ähnliche finanzielle Entlastung bedeuten, wie jene für die summierten Influenza-Impfungen. Mit dem gewichtigen Unterschied, dass die Gürtelrose-Impfung nicht jährlich aufgefrischt werden muss."

Gürtelrose begünstigt in Folge Thrombosen und Schlaganfälle

Welche Spätfolgen eine Infektion mit dem Virus haben kann, erklärt Molekularbiologin Priv.-Doz. Andrea Pitzschke, Senior Researcher bei Economica: "Das Virus schädigt hirnversorgende Gefäße und begünstigt Thrombosen. Das Schlaganfallrisiko ist aufgrund einer Gürtelrose-Erkrankung vorübergehend erhöht." Schlaganfall ist die dritthäufigste Todesursache in Österreich und betrifft primär die Generation 50+. 

"15 Prozent der Überlebenden werden pflegebedürftig und verschärfen somit das Problem mangelnden Pflegepersonals. Würden heute alle über 50-Jährigen Österreichs geimpft, wären dadurch kumulativ über 10 Jahre rund 340 Schlaganfälle vermeidbar", so die Studienautorin.

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Umfrage: Hohe Impfkosten schrecken viele vor Vorsorge ab

Ein Gutteil der heimischen Bevölkerung zeigt jedenfalls Interesse an einer Schutzimpfung gegen Gürtelrose, wie eine repräsentative Umfrage von Peter Hajek, Public Opinion Strategies, belegt. Demnach haben neun von zehn Österreichern und Östereicherinnen bereits von Gürtelrose gehört, zwei von drei kennen die Symptome, und immerhin rund 50 Prozent wissen auch, dass die Nervenentzündung große Schmerzen verursachen kann.

Mehr als ein Drittel der Befragten ist bekannt, dass es eine Impfung gibt. Darüber, den Schritt selbst zu setzen, hätten aber über 70 Prozent noch nicht angedacht, so Hajek. "Für ein Drittel der Befragten sind die hohen Kosten die ausschlaggebende Ursache. Die Gürtelrose-Impfung ist derzeit – plakativ formuliert – eine Zwei-Klassen-Medizin."

Ein wichtiger Ansatzpunkt im Sinne der Volksgesundheit sei demnach die Übernahme der Kosten durch die Krankenkasse. "Dann würde auch die Bevölkerung mitziehen", analysiert Hajek, "denn 47 Prozent der Befragten wären bereit, einen Selbstbehalt zu bezahlen – und zwar in der Größenordnung von rund 20 Euro."

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