Gürtelrose: Warum erkranken mehr Menschen, und auch mehr jüngere?
Als Marius (Name geändert) vor einigen Monaten erste erbsengroße, rötliche, kribbelnde Bläschen am Hals entdeckte, ahnte er schon, was ihm blühen könnte: Gürtelrose. Bereits vor zehn Jahren laborierte der heute 29-Jährige an der Erkrankung. Den Ausschlag am Rücken tat er damals als spätpubertäre Akne ab. Erst als sich die Bläschen ausbreiteten und er von Fieber, Kopfweh und Gliederschmerzen geplagt wurde, holte er sich ärztlichen Rat.
Doch warum derzeit mehr Menschen an Gürtelrose erkranken – und nicht nur ältere – darüber aber rätseln auch die Mediziner. Mehrere Hypothesen werden diskutiert.
Schlummerndes Virus
Mit dem Varizella-Zoster-Virus – jenem Erreger, der die Gürtelrose auslöst – steckt man sich in der Regel in der Kindheit an. Die Folge: Feuchtblattern (auch Schafblattern). Nach durchgemachter Infektion harrt das Virus lebenslang im Körper aus. So kann es auch nach Jahren oder Jahrzehnten zum Ausbruch der Gürtelrose kommen.
Dass jüngere Menschen wie Marius erkranken, galt bislang als eher ungewöhnlich. Typischerweise tritt Gürtelrose bei älteren Menschen gehäuft auf. Mit steigendem Alter schwächeln die Abwehrkräfte, die das Virus in Schach halten: Die Viren wandern an die Hautoberfläche, wo sie sich vermehren und Schmerzen auslösen.
Entstehung: Gürtelrose ist eine Infektionskrankheit, die durch den Erreger der Windpocken (das Varizella-Zoster-Virus) ausgelöst wird. Es versteckt sich nach dem Abheilen der Feuchtblattern (Windpocken) im Körper und kann erneut aktiv werden.
Symptome: Typisch ist ein Ausschlag auf einem klar begrenzten Hautgebiet. Auch Schmerzen und Missempfindungen im betroffenen Bereich, Fieber, Kopfschmerzen und Erschöpfungszustände sind möglich.
90 Prozent: So hoch ist die Virusdurchseuchung in der Altersgruppe der 10- bis 11-Jährigen. Das ansteckende Virus kommt global vor.
Nicht nur das Alter der Betroffenen hat sich verändert. Die Zahl der Gürtelrose-Fälle steigt insgesamt. Dass belegen Daten aus den USA, Spanien und Japan. Auch in Deutschland bekommen immer mehr Menschen die Diagnose:
Zwischen 2009 und 2019 ist Erhebungen des Essener Universitätsklinikums zufolge die Zahl der Personen, die deswegen im Krankenhaus behandelt wurden, massiv angestiegen.
"Für Österreich gibt es leider keine genauen Zahlen dazu", sagt Rainer Kunstfeld, Facharzt für Dermatologie in Wien. Hierzulande orientiere man sich an den Zahlen aus dem Nachbarland: "Von den 400.000 Fällen dort kommt man durch Runterrechnen auf rund 40.000 pro Jahr in Österreich." Auch Kunstfeld weiß von einem Ansteigen der Gürtelrosefälle zu berichten.
Die Gründe dafür seien vielfältig. Dass man früher schlicht etliche Fälle übersehen hat, glaubt er nicht. In jüngster Vergangenheit habe vor allem die Pandemie zur Zunahme beigetragen. Nach einer Corona-Infektion sei das Immunsystem vorübergehend geschwächt. Das Virus könne leichter reaktiviert werden. "US-Daten zeigen eindeutig, dass eine Infektion das Risiko für Gürtelrose um 15 Prozent erhöht. Der Effekt hält rund sechs Monate an."
Komplexe Erklärungen
Das Ansteigen der Gürtelrosefälle wurde allerdings schon vor der Pandemie beobachtet. Schon länger steigt laut Kunstfeld aber die Zahl der Menschen mit Grunderkrankungen oder immunsuppressiver Therapie. Auch das leiste womöglich einen Beitrag.
Die sogenannte Boosting-Hypothese aus den Sechzigern besagt, dass wiederholter Kontakt mit dem Varizella-Zoster-Virus im Laufe des Lebens die Immunität beiläufig auffrischt. Wegen der in vielen Ländern – auch in Österreich – seit bald zwanzig Jahren empfohlenen Kinderimpfung gegen Feuchtblattern kommt es zu weniger natürlichen Auffrischungen. "Dass der Wegfall der natürlichen Boosterung zu mehr Gürtelrosefällen führen würde, konnte epidemiologisch aber nicht bestätigt werden."
Eine weitere Erklärung könnte das Sonnenlicht liefern: UV-Strahlen schwächen die zelluläre Immunantwort an der Stelle, wo sie auf die Haut treffen und können einen Ausbruch begünstigen. Beim Lippenherpes wurde ein Zusammenhang bereits nachgewiesen. Dieser Theorie kann auch Kunstfeld viel abgewinnen: "Auch UV-Strahlung gilt als Stressfaktor, der die Reaktivierung begünstigen kann. Gürtelrose folgt oft einem Sonnenbrand nach."
Die unangenehmen, grippeartigen Begleitsymptome blieben Marius dieses Mal erspart. "Wird die Gürtelrose unverzüglich behandelt, kann sie dank hochwirksamer antiviraler Medikamente effektiv gestoppt werden", sagt Experte Kunstfeld. Marius ist froh, dieses Mal rasch reagiert zu haben. Und er weiß auch, "dass das Virus auch in Zukunft wieder durchbrechen kann".
Impfung gegen Gürtelrose
Die Impfung gegen Gürtelrose ist für alle Personen ab 50 Jahren sowie für jene mit besonders hohem Risiko ab 18 Jahren empfohlen – das sind besonders Personen, deren Immunsystem unterdrückt (supprimiert) ist. Die Herpes-Zoster-Impfung ist zweiteilig, der Impfabstand beträgt mindestens zwei, maximal aber sechs Monate. Eine Teilimpfung kostet ungefähr 220 Euro, bei Aktionen rund 200 Euro je Impfung.
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