Gewalt gegen Ärzte: Medizinerin muss sich mit Bodyguard schützen
Ärztinnen und Ärzte sind seit dem Fortschreiten der Pandemie verstärkt mit Beleidigungen, Angriffen und physischer Gewalt konfrontiert. Insbesondere seitdem die Impfpflicht zum Thema wurde, häufen sich Berichte aus Impfstraßen und Ordinationen zu einer gestiegenen Aggressivität gegenüber medizinischem Personal. Die Angriffe richten sich gegen eine Personengruppe, die in den vergangenen knapp zwei Jahren ohnehin schon stark belastet war.
Die oberösterreichische Allgemeinmedizinerin Lisa-Maria Kellermayr beschreibt auf Twitter eindrucksvoll, wie sie solche Patientenkontakte wahrnimmt und welche Vorkehrungen sie treffen muss, um sich zu schützen. "Es gibt Patienten, bei denen man einfach schon weiß: Die führen nichts Gutes im Schilde. Man bereitet sich darauf vor. Man trifft Maßnahmen. Man sorgt für Schutz vor physischer Gewalt", beginnt ihr Thread, der bereits knapp 1.400 Mal retweetet wurde und mehr als 6.000 "Gefällt mir"-Angaben hat.
Die junge Medizinerin ist mit Menschen konfrontiert, die sie provozieren und "Schaden anrichten wollen", weil Kellermayr als Ärztin für Impfgegner als eine von "denen" gilt. Eine, die impft und die Impfung für wichtig befindet. Eine, "die es zu bekämpfen gilt", wie sie schreibt. Sie hat eigens einen bewaffneten Sicherheitsmann engagiert, der im Ernstfall einschreiten kann.
Versteckte Tonaufnahmen
Im Twitterthread berichtet sie vom unguten Zusammentreffen mit einem Patienten: "Den Personenschützer hat er heute als solchen erkannt. Er meinte zu ihm, dass dieser Schutz schon notwendig sei und er das verstehe, denn er sei ja selber auch sehr 'aufbrausend'."
Kellermayr beschreibt, dass der Patient beim Hineingehen in die Ordination die Tonaufnahme auf seinem Handy startete, zwar versteckt, aber die Ärztin bemerkte es - auch weil sie dies schon von ihrer Tätigkeit in der Impfstraße kennt. "Ein Teil von mir ist erleichtert, denn nun weiß ich, was er vorhat. Er wird kein Messer zücken, hier und jetzt ist also niemand akut bedroht, der Bodyguard, der vor der Türe steht, wird seine Waffe stecken lassen können."
"Der Typ will streiten"
Das Aufnehmen mit dem Handy kennt Kellermayr schon aus ihrer Tätigkeit in der Impfstraße. Auch dort wurden Gespräche von impfkritischen Patientinnen und Patienten immer wieder mehr oder weniger offensichtlich aufgezeichnet. "Es werden Aufnahmen gemacht, zusammengeschnitten, aus dem Gegenüber Wortfetzen herausgepresst, es wird versucht, an Aussagen zu kommen, die aus dem Kontext gerissen oder anders zusammengesetzt zu einer völlig gegenteiligen Aussage führen. Der Typ will streiten mit mir, provozieren."
Immer wieder sei ihr der Patient ins Wort gefallen, habe sie unterbrochen – dies sei leichter zu schneiden, meint Kellermayr. "Es vergehen einige Minuten bis das Maß dann voll ist und ein Hausverbot rechtfertigt, mit dem ich ihn dann rausschmeiße. Beim Rausgehen höre ich wieder den Tastenton. Jetzt hat er die Sprachaufnahme beendet“, schreibt die Hausärztin.
Kurz darauf erhält sie ein E-Mail mit einer Zusammenfassung des Gesprächs – aus Sicht des Patienten. "Ich habe 2 Zeilen gelesen, dann aufgehört, weil es mich sonst zerreißt vor Wut. Menschen wie er wollen mir meine Arbeit so unmöglich machen, wie sie nur können." Sie arbeite aufgrund der Pandemie und eines Ärztemangels an sieben Tagen die Woche, mehr als 100 Stunden pro Woche und sei dann mit Menschen konfrontiert, die ihre Rechte missachten. "Warum wird dieser Wahnsinn, der hier mit uns passiert einfach so hingenommen? Warum dürfen uns diese #Covidioten bedrohen und terrorisieren und alle schauen weg?", ist das Ende ihres Threads.
Verstärkte Aggressivität
Kellermayr ist nicht die einzige Ärztin, die sich mit derartigen Vorfällen auseinandersetzen muss. Gesundheits- und Pflegepersonal sowie Personen, die in Impfstraßen arbeiten, berichten seit einigen Monaten von verstärkter Aggressivität. Im Dezember startete das Rote Kreuz eine Onlinekampagne für mehr Solidarität mit dem Gesundheitspersonal. "Besonders belastet sind jene Helferinnen und Helfer, die seit mehr als 20 Monaten mitunter bis zur Erschöpfung für andere im Einsatz sind", sagte Rotkreuz-Präsident Gerald Schöpfer anlässlich der Präsentation im Dezember.
Der Angriff auf Gesundheitspersonal ist seit 2019 als eigenes Delikt im Strafgesetzbuch verankert. Wer Personen, die in einem gesetzlich geregelten Gesundheitsberuf tätig sind, während der Ausübung ihrer Tätigkeit tätlich angreift, muss bei einer Anzeige mit einer Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten rechnen. Kommt es zu einer Körperverletzung gegen Personen im Gesundheitsbereich, während oder wegen der Ausübung ihrer Tätigkeit, kann das mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe belangt werden.
Kellermayr möchte es nicht soweit kommen lassen. Sie hat zusätzlich zu dem bewaffneten Bodyguard auch weitere Vorkehrungen getroffen, um sich und ihr Team zu schützen. So hat etwa alle Namen und Hinweise auf Personen von der Website entfernt und Alarmsysteme installieren lassen.
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