Wenn Reality-TV-Star Kim Kardashian für etwas wirbt, wollen es viele haben. An manchen Tagen sind es Shapewear, Lipgloss oder auch eine Radlerhose. An anderen Tagen ist es eine MRT, eine Magnetresonanztomografie.
Davon hat Kardashian kürzlich ein Foto auf ihr Instagram-Profil hochgeladen. Die 43-Jährige posiert vor einer Diagnoseröhre des kalifornischen Start-ups Prenuvo,bezeichnet sie als "lebensrettende Maschine", die schon vielen ihrer Freunde das Leben gerettet habe. Denn: Das Unternehmen sei in der Lage, Krebs und andere Krankheiten im Frühstadium zu erkennen, oft noch bevor Symptome auftreten. Laut Prenuvo führen fünf Prozent der 2.500 Dollar teuren Scans zu einer lebensrettenden Diagnose.
Eine Quote, die auch Prescan-Geschäftsführer Georg Haury für realistisch hält. Sein Unternehmen führt in Österreich seit fast 20 Jahren Ganzkörper-Checks durch, unter anderem mit MRT. Der Trend aus Amerika habe auch hierzulande für mehr Interesse gesorgt. "Eigentlich hätten wir jetzt gerade eine ruhigere Zeit, aber online kommen viele Leute auf uns zu, die zum Beispiel von Prenuvo gelesen haben."
Viele Patienten aus dem Management-Bereich
Seine Klientel ist gemischt, die meisten Patientinnen und Patienten sind zwischen 40 und 60 Jahre alt, viele arbeiten in Management-Positionen, erzählt der Unternehmer. Manche haben Vorerkrankungen oder genetische Veranlagungen. "Zu uns kommen aber auch Menschen, die einen gesunden Lebensstil pflegen und länger gesund bleiben wollen." Häufig seien auch Krankheitsfälle im Umfeld für den Wunsch nach einem Gesundheitscheck verantwortlich. "Viele Leute kommen, wenn zum Beispiel ein Kollege einen Schlaganfall hatte oder jemand in der Familie erkrankt ist. Sie sind dann sehr verunsichert und haben Angst, dass ihnen das auch passieren könnte."
Eine MRT biete für sie viele Vorteile, so Haury. Vorboten chronischer Erkrankungen wie Tumore, Aneurysmen, Schlaganfälle oder Herzinfarkte seien oft schon vor den ersten Symptomen erkennbar. Aber auch Herz- und Nierenerkrankungen, Erkrankungen des Bauchraums oder Rücken- und Bandscheibenprobleme. Bei einer Patientin sei beispielsweise ein Lungentumor in einem sehr frühen Stadium entdeckt worden, sie sei zwei Wochen später operiert worden. Auf der Prenuvo-Website wird auch von vielen Erfolgsgeschichten berichtet: Von einer geschwollenen Milz ist da die Rede, von zufällig entdeckten Nieren- und Hirntumoren oder von Lungenkrebs, der dank des Scans früh diagnostiziert wurde. Insgesamt sind rund 500 erkennbare Krankheiten auf der Webseite aufgelistet.
Unbegründete Ängste?
Dennoch gibt es in der medizinischen Fachwelt unterschiedliche Auffassungen darüber, wie sinnvoll eine MRT zur Vorsorge ist. So erklärte die amerikanische Radiologenvereinigung ACR in einer Stellungnahme, es gebe derzeit "keine dokumentierten Belege dafür, dass Ganzkörper-Screenings kosteneffektiv sind oder das Leben verlängern". Sie befürchtet teure Folgeuntersuchungen für die Patientinnen und Patienten - und unbegründete Ängste.
Iris Nöbauer kann das gestiegene Interesse an der Ganzkörper-MRT nachvollziehen. "Ich bin auch jemand, der immer alles ganz genau wissen will", sagt die Universitätsprofessorin an der Abteilung für Neuroradiologie und Muskuloskelettale Radiologie der MedUni Wien im Gespräch mit dem KURIER. "Aber es ist nicht so, dass alles in Ordnung ist, wenn man beim Ganzkörper-MRT nichts sieht. Und umgekehrt: Selbst wenn man etwas sieht, kann trotzdem alles in Ordnung sein."
Für bestimmte Personengruppen, so die Expertin, sei die Ganzkörper-MRT tatsächlich die Vorsorgeuntersuchung der Wahl. Zum Beispiel bei Menschen mit bestimmten Syndromen bei familiärer Vorbelastung oder bei speziellen Krebsarten. So gibt es bestimmte Tumore, bei denen man Metastasen mit einer Ganzkörper-MR besser erkennen könne als mit anderen Methoden. Aber auch bei Patienten, die Entzündungen im ganzen Körper haben, etwa Knochenentzündungen oder unerklärliches Fieber, wird sie häufig empfohlen.
Anders sieht es bei gesunden Menschen aus, die keine Vorerkrankungen haben und sich einfach nur durchchecken lassen wollen. "Hier gibt es Standards abseits der Ganzkörper-MR, die leichter zugänglich sind und sehr viele Informationen liefern", sagt Nöbauer. Zum Beispiel regelmäßige Brust- und Prostatauntersuchungen, Darmspiegelungen oder Blut- und Stuhluntersuchungen.
Nicht alles ist erkennbar
Denn auch wenn eine Ganzkörper-MRT-Untersuchung aufwendig und zeitintensiv ist, ist damit kein genauer Scan von einzelnen Organen möglich, sagt Nöbauer. "Man muss sich auf eine bestimmte Anzahl von Sequenzen beschränken. Einen kleinen Tumor in der Bauchspeicheldrüse würde man also zum Beispiel nicht erkennen. Magen und Dickdarm kann man vergessen, auch kleine Knoten oder Herde in der Lunge sieht man nicht." Ein Raucher etwa, der ein vielfach erhöhtes Risiko hat, an einem Lungenkarzinom zu erkranken, würde sich nach einer reinen Ganzkörper-MRT in falscher Sicherheit wiegen, so die Universitätsprofessorin.
"Vieles, was bösartig ist, sieht man im Frühstadium nicht", fasst sie zusammen. "Gleichzeitig werden wahnsinnig viele Zufallsbefunde entdeckt. Das hat selbst mich überrascht."
Tatsächlich gibt es in unserem Körper viele Anomalien, die mit einer MRT entdeckt werden können, viele davon sind harmlos, etwa kleinere Zysten. Und Befunde wie eine degenerative Erkrankung der Wirbelsäule oder Arthrosen in den Gelenken sind mit gezielten Untersuchungen besser erkennbar. "Aber wenn der Patient sich medizinisch nicht auskennt und einen solchen Befund zum Beispiel per Brief erhält, schürt das natürlich Ängste."
Die Fachwelt, müsse diese Entwicklungen erst einordnen, so Nöbauer. "Was bedeutet ein Fund? Wie hoch ist das Risiko? Welche Folgeuntersuchungen sind wirklich notwendig - und stellen kein zusätzliches Risiko und keine Belastung für die Patienten dar?"
"Kein Blick in die Glaskugel“
Das Argument, dass man bei den Untersuchungen zu viel entdecke oder die Nadel im Heuhaufen suche, habe es von Anfang an gegeben, sagt auch Prescan-Geschäftsführer Haury. Aber: "Wir machen die Leute nicht wegen jeder Zyste nervös. Unsere Ärzte können gut einschätzen, wann eine Nachuntersuchung wirklich notwendig ist", so der Unternehmer. Den Patientinnen und Patienten werde das Ergebnis nicht per Post, sondern persönlich im Befundgespräch mit dem Arzt übermittelt.
Ihm ist wichtig zu betonen, dass es sich bei seiner Untersuchung um ein medizinisches Produkt und nicht um ein Lifestyle-Produkt handelt. Die MRT-Untersuchung ist nur ein Teil davon. Im Unterschied zu Prenuvo, bietet der Total Body Scan von Prescan eine Kombination aus der Bildgebung, also MRT, CT (Lowdose), Ultraschall, sowie ein Anamnese- und Befundgespräch. "Es wird viel über den Blick in die Zukunft gesprochen und darüber, dass man durch solche Untersuchungen länger leben kann. Natürlich hat man bessere Heilungschancen, wenn man zum Beispiel einen Tumor früh erkennt, aber letztlich ist es eine Momentaufnahme." Vorhersagen, woran ein Mensch einmal sterben wird, wie es oft suggeriert wird, könne man nicht. "So eine Aussäge wäre unseriös. Das ist kein Blick in die Glaskugel.“
Dennoch wurde unter US-Investoren schnell der Wunsch laut, Ganzkörperscans künftig in die medizinische Grundversorgung aufzunehmen. Auch Haury ist überzeugt, dass die Nachfrage nach Angeboten wie Prescan oder Prenuvo weiter steigen wird, wenn auch nur als Privatleistung. Vor allem, weil Untersuchungen in Zukunft einfacher, kürzer und günstiger werden könnten, etwa mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (KI).
Das US-Start-up Ezra etwa will in einigen Jahren Ganzkörperscans für nur 500 Dollar anbieten, ein Fünftel des Preises von Prenuvo. Und statt einer Stunde soll man dann nur noch 15 Minuten in der Röhre verbringen müssen.
(kurier.at, ek)
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