Bauchgefühle: In Freundschaften teilen wir auch Darmbakterien

Ältere Menschen umarmen sich.
Soziale Beziehungen verändern das menschliche Mikrobiom, zeigen Forschungen der renommierten Universität Yale.

Gleiche Interessen, ähnliche Lebensstile, geteilte gesellschaftspolitische Ansichten: Freundinnen und Freunde haben meist viele Gemeinsamkeiten. Eine neue Studie der US-amerikanischen Universität Yale zeigt nun: Soziale Beziehungen formen wohl auch unser Mikrobiom

In der Studie, die kürzlich in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurde, wurde die Beziehung zwischen sozialen Netzwerken von Menschen und der Zusammensetzung ihrer Darm-Mikrobiome – Bakterien und anderen Mikroorganismen, die den Magen-Darm-Trakt besiedeln – beleuchtet.

Dafür führten die Forschenden um den Bioinformatiker Francesco Beghini eine umfassende Kartierung sozialer Netzwerke von 1.787 Erwachsenen, die in 18 Dörfern in Honduras leben, mit detaillierten Mikrobiomdaten von jedem Teilnehmenden zusammen. Die Datenbank umfasste über 2.500 mikrobielle Arten und knapp 340.000 verschiedene Stämme – enge genetische Varianten derselben Art, die gewisse Merkmale teilen.

Verbindung über soziale Ebene hinaus

Es zeigte sich, dass Menschen, die durch verschiedene Beziehungen miteinander verbunden waren – einschließlich nicht-familiärer und nicht-haushaltsbezogener –, Ähnlichkeiten in ihren Mikrobiomen aufwiesen, die über erwartbare, zufällige Übereinstimmungen hinausgehen.

"Wir haben deutliche Beweise dafür gefunden, dass Mikrobiome auch unter Menschen geteilt werden, die keine Familie bilden und nicht zusammenleben – sogar nachdem man andere Faktoren wie Ernährung, Wasserquelle und Medikamente berücksichtigt", wird Beghini in einer Aussendung zur Studie zitiert. Ein geteiltes Mikrobiom sei der stärkste Vorhersageparameter für soziale Beziehungen in den untersuchten Dörfern gewesen, "noch vor Merkmalen wie Wohlstand, Religion oder Bildung".

Das größte Ausmaß an mikrobiellem Austausch trat freilich unter Ehepartnern und Menschen, die im selben Haushalt lebten, auf. Die Forschenden beobachteten aber auch erhöhte Austauschraten bei anderen Beziehungsformen – zwischen Freunden, und sogar zwischen Freunden von Freunden.

Küsse bis Mahlzeiten

Welche Übertragungswege sind denkbar? Auch dieser Frage ging man nach. Zum einen war der mikrobielle Austausch größer, je öfter Menschen Zeit miteinander verbrachten. Einfluss auf das Angleichen dürfte auch die Häufigkeit gemeinsamer Mahlzeiten und die Art der Begrüßung - Händeschütteln, Umarmungen oder Küsse – haben. 

Am wenigsten Mikrobiom-Ähnlichkeiten gab es zwischen Studienteilnehmenden, die im selben Dorf lebten, aber keine soziale Beziehung zueinander pflegten. Noch weniger Austausch gab es zwischen Individuen, die in verschiedenen Dörfern zu Hause waren.

Mit Mikrobiom ist nicht nur die Darmflora gemeint. Der Begriff bezeichnet die Gesamtheit aller in und auf dem Menschen lebenden Mikroorganismen. Obwohl die meisten davon in unserem Darm leben, besiedeln diese auch unsere Haut, Nase, Rachen, Mund, Scheidenflora, und so weiter. Diese Besiedelung wirkt schützend auf diese Bereiche. Das heißt, Störungen dieser Besiedelung können zu erhöhter Infektanfälligkeit bzw. wiederholten Infekten in diesen Bereichen führen.

Mittlerweile ist bekannt, dass sich eine ungünstige Zusammensetzung der Darmflora auf die Psyche, das Schmerzempfinden, chronische Entzündungen, die Nichtalkoholische Fettleber bis hin zum Metabolischen Syndrom, auswirken kann. 

Etliche Fachleute vermuten gar, dass es keine Erkrankung gibt, an der das Mikrobiom nicht beteiligt ist. Ungenügend erforscht ist die Frage, ob gewisse Veränderungen des Mikrobioms Ursache oder Folge von Erkrankungen sind.

Ansteckender Darm

"Unsere Studie zeigt, dass die Menschen, die soziale Gruppen bilden, möglicherweise auf Weisen verbunden sind, die wir vorher nie bedacht haben – sogar durch ihre Mikrobiome", sagt Mitautor Jackson Pullman.

Den Forschenden zufolge besitzen die Erkenntnisse weitreichende Relevanz: So würden sie etwa darauf hindeuten, dass bestimmte Krankheiten oder Gesundheitszustände, die mit dem Mikrobiom in Verbindung stehen, ansteckender sein könnten als bisher angenommen. Gleichzeitig könnten die Vorteile eines gesunden Mikrobioms durch soziale Netzwerke übertragbar sein.

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